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awogfli

Posted on 21.11.2020

Revolutionslüfterl im Wasserglas Das Ausgangssetting des Romans von Mercedes Spannagel ist grandios. Die Tochter der extrem rechtskonservativen Bundespräsidentin Österreichs, eine Türkise (neue Farbe der konservativen Österreichischen Volkspartei) mit nazibraunen Spritzern, die aus der Unterschicht aufgestiegen ist, rebelliert gegen die Mutti. Leider entpuppt sich diese Rebellion nicht als anarchisch, konsequent, und mit starken Akzenten, sondern sie findet nur so ein bisschen und total Wischiwaschi statt – sozusagen ein Revolutionslüfterl anstatt eines Sturmes in einem winzigen Wasserglas. Mutti liebt ihre Windhundemeute, Töchterle Luise setzt als Kontrapunkt zur Leidenschaft ihrer verhassten Erzeugerin die Beziehung zu ihrem hässlichen Mops namens Marx. In der Theorie propagiert die Studentin Luise Marxismus und Feminismus, in der Realität lebt sie aber völlig unberührt von ihren Idealen als verwöhntes Rich Kid in Chanel und Prada gehüllt im Palais (das dürfte die Wiener Hofburg sein). Das ist fast so, als würde eine noch immer nicht der Pubertät entwachsene Paris Hilton hin und wieder ein bisschen zickig sein, sich in der Fantasie vorstellen, aus ihrem Leben auszubrechen, ein bisschen frech zu ihren Eltern sein, aber dann doch immer wieder vom Geld und vom leichten luxuriösen Leben korrumpiert werden. Selbstverständlich sind solche Figuren in der Realität häufig zu finden, aber in der Fiktion hätte ich mir einen eskalierenden Mutter-Tochter Konflikt, anarchisches Gemetzel mit vielen bösartigen Aktionen, ähnlich wie bei den Protagonisten meines heißgeliebten Schriftstellers Tom Sharpe gewünscht. Die Ausgangssituation hätte darauf hingewiesen. Das war mir alles viel zu wenig bissig. Auch in der Liebe sucht sich Luise ausgerechnet wieder einen Schnösel und Elitesprössling aus konservativem Haus aus: TT (Theodor Thies) ist Jus Student, Fechter, aus gutem Stall mit korruptem Rechtsanwaltsvater, der offensichtlich auch ein bisschen, aber nicht viel geläutert, dem deutschnationalen Mindset seiner Familie, wie der schlagenden Burschenschaft abgeschworen hat, dem Rest aber, wie dem Jurastudium und dem Fechten nicht, da würde die Auflehnung gegen die Werte der Upperclass zu weit gehen. Letztendlich wird die Bundespräsidentin vom Parlament abgesetzt, weil sie mit dem Vater von TT und einem ungarischen Waffenhändler gemauschelt hat und von dieser Korruptionsaffäre ein Video existiert, das im türkisfarbenen Zimmer des Palais aufgenommen wurde. Dieses Video hat aber nicht Luise in einer Geste der Rebellion gegen die Mutter initiiert, sondern es war ein Irrtum ihrer anderen Schwester, die mit ihrem Freund einen Porno á la Paris Hilton drehen wollte und die die Kamera danach auch noch laufen ließ, was die Mutter und ihre Verschwörer in die unabsichtliche Falle tappen ließ. Nach mehreren Verwicklungen wird der Korruptionsbeweis auch noch irrtümlich veröffentlicht. Fazit: Statt eines veritablen Mutter-Tochter-Konflikts mit politischen Dimensionen und anarchischen Aktionen wurde mir ein bisschen pubertäre Zickerei in Kaschmir und Seide mit Koks, Ketamin, Ecstasy, mit Trüffelpommes und natürlich bouteillenweise mit Schampus serviert, von einer verwöhnten hohen Tochter, die zwar gedanklich ein bisschen rebelliert, aber zu bequem ist, das reiche Nest und ihren Lebensstil wirklich zu gefährden. Irgendwie schildert eine Szene das ganze Buch und meine Enttäuschung knackig und punktgenau: als eine Swarowski Werbung auf der Toilette klebt, in der eine granatenähnliche Vase mit einem Einstecktuch gezeigt wird. Der Slogan lautet: "For the anarchist, who has everything." So schlecht, wie es nun scheint, war der Roman zwar wirklich nicht – manchmal habe ich sogar geschmunzelt, vor allem bei den vagen politischen Andeutungen – aber richtig gepackt hat er mich überhaupt nicht. Schade, denn er hatte wirklich viel Potenzial. Endurteil: Da brannte nichts in mir, mittelmäßig.

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