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evaczyk

Posted on 19.9.2020

Christine Wunnicke hat ziemlich viel in "Die Dame mit der bemalten Hand" gesteckt - ein bißchen historischer Roman, ein bißchen Lust an Forschung und Entdeckung, am Ausloten und Überwinden sprachlicher und kultureller Grenzen und ost-westlicher Kulturdialog. Auf einer verlassenen Tempelanlage auf einer Insel vor Indien treffen sie aufeinander: Der persische Astronom Musa al Lahori, der mit seinem Diener während einer Reise auf der Insel gestrandet ist, und der deutsche Astronom und Kartograph Carsten Niebuhr, von Fieber geschüttelt und letzter überlebender Teilnehmer einer Forschungsexpedition im Auftrag des dänischen Königs. Der polyglotte Musa muss Geduld aufbringen mit dem bleichen Europäer, dessen Arabisch mit abenteuerlichen Redewendungen gespickt ist, die für den Leser klingen wie die blumige "orientalische" Sprache aus Hauffs Märchen. Carsten Niebuhr ist übrigens keine fiktionale Figur, sondern war tatsächlich im 18. Jahrhundert Forschungsreisender. Musa kommt in dieser Begegnung die Rolle des Weisen, des Weitgereisten und Erfahrenen zu, der sich über manche Absonderlichkeiten des westlichen Reisenden nur wundern kann, während Niebuhr erst um sein Leben, dann um Worte ringt und Probleme hat zu unterscheiden, wann ihm Musa die Wahrheit erzählt und wann er mit den bunt ausgeschmückten Erzählungen über seine Familiengeschichte einmal mehr fabuliert. Wenig verwunderlich - zum Bonding dieses ungleichen Paares kommt es über Vermessung und Astronomie, wenn sich auch gerade hier die Kluft zwischen den beiden auftut: Begrenzt Niebuhr den Blick auf das Sternbild Kassiopeia auf einige wenige ihm bekannte Sterne, geht der Blick des Astronomen aus dem Orient viel weiter - für ihn ist Kassiopeia nur ein Teil eines größeren Bildes, nämlich der "Dame mit der bemalten Hand". Kulturelle Missverständnisse, aber auch die Beziehung zwischen Musa und seinem jungen Diener, den er zwar ständig als Tölpel verunglimpft, gleichzeitig aber eine fast väterliche Besorgnis über die Eskapaden des jungen Mannes zeigt, sorgen immer wieder für komische Situationen. Mit liebevoller, manchmal ironischer Distanz zeichnet auch die Autorin ihre Protagonisten, ohne sie ins Lächerliche zu ziehen. Die zufällige Begegnung während eines unfreiwilligen Aufenthalts im Halb-Nirgendwo, das wird der Schlussteil des Buches zeigen, hinterlässt bei beiden Spuren. In einer Zeit, in der kulturelle Gräben eher tiefer werden und Vorbehalte wahrer Begegnung zunehmend entgegenstehen, ist "Die Dame mit der bemalten Hand" nicht nur literarische Unterhaltung über Missverständnisse und Dialog, sondern auch ein Plädoyer zum Zuhören und respektvollem Miteinander.

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