elena_liest
"Was haben nur immer alle mit Geschichten von früher und damals, deswegen verliebt man sich doch, weil man sich dabei verwandelt, das ist das Schöne am Ganzen, die Verwandlung." - Simone Lappert, "Der Sprung" Wir befinden uns in der mittelgroßen Stadt Thalgau bei Freiburg. Es ist ein vermeintlich normaler Dienstag, die Bewohner gehen ihrem Leben nach, alles scheint seinen gewohnten Gang zu gehen. Bis auf einem Mietshausdach eine Frau entdeckt wird. Sie möchte angeblich nicht mehr runter kommen, Suizidgefahr, heißt es. Die Polizei wird gerufen, die Menschen versammeln sich und alle erwarten das Ende: den Sprung. Simone Lapperts "Der Sprung" hat mich gefesselt und fasziniert. Anfangs war ich noch etwas verwirrt von den vielen Perspektiven und Erzählsträngen und konnte sie im Kopf noch nicht wirklich zusammenführen. Das ist bei 10 verschiedenen Protagonist*innen auch wirklich schwer - aber nach etwa 50 Seiten war ich so drin, dass ich das Buch kaum noch aus der Hand legen konnte. Lappert webt ein dichtes Netz mit ihren Figuren und es war einfach klasse zu beobachten, wie die vielen Linien am Ende ein komplexes und spannendes Gesamtbild ergeben. Besonders war vor allem auch, dass die Autorin nie aus der Sicht der eigentlichen Hauptperson, der Frau auf dem Dach, schreibt. Sie wird immer nur beschrieben, wird beleuchtet aus den verschiedensten Blickwinkeln (Freund, Halbschwester, weiterer Bekanntschaftskreis). Mit "Der Sprung" ergründet Simone Lappert die ganz alltäglichen Dämonen der Menschen und durch die große Anzahl an Charakteren wird auch eine breite Gesellschaftsmasse abgebildet. Die ein oder andere Person war für meinen Geschmack zwar etwas zu überzogen und klischeehaft, teilweise auch etwas platt, insgesamt fand ich aber Lapperts Auswahl der Thalgauer Bewohner*innen gelungen. Was mir auch sehr gut gefallen hat war der Schreibstil. Ich fand ihn sehr unaufgeregt und poetisch und habe mir auch so einige Seiten markiert. Ich vergebe für dieses besondere Lesevergnügen 4,5 / 5 🌟 und freue mich schon auf "Wurfschatten".