elena_liest
9-jährige Schwarze tötet weißes Baby - so geht es im Buch los. Mary, ein Schwarzes, gerade mal 9 Jahre altes Mädchen, soll ein 3 Monate altes Baby getötet haben. Daraufhin wird sie verurteilt - zu jahrelangem Jugendgefängnis und anschließender Verwahrung in einem Wohnheim. Dort setzt die Geschichte ein: mit 16 Jahren wohnt Mary in einer Wohngruppe. Das Gefängnis hat sie hinter sich, doch auch in der Wohngruppe leidet sie, sie wird gemobbt und misshandelt. Nur bei ihrem Freund Ted findet sie die Geborgenheit, nach der sie sich sehnt - und wird schwanger. Darf eine verurteilte Babymörderin ihr Kind behalten? Was war das denn bitte für eine krasse Leseerfahrung? Ich habe bisher ein Buch aus dem Festa-Verlag gelesen, einen Horrorsthriller, der es auch echt in sich hatte. Hier dachte ich, da es sich um eine neue Reihe innerhalb des Verlags handelt ("All Age"), dass das Lesen nicht so heftig werden würde - aber falsch gedacht! "Der bittere Trost der Lüge" von Tiffany D. Jackson hat mich umgehauen, und zwar im positiven Sinne. Ich habe dieses Buch aufgeschlagen und war direkt gefesselt. In die eigentliche Geschichte werden immer wieder Zeitungsartikel, Buchausschnitte und Verhörprotokolle gemischt, sodass man verschiedene Sichtweisen auf Marys mutmaßliche Tat bekommt und auch oft sehr wütend ob der Berichterstattung wird. Generell war ich beim Lesen andauernd wütend: was Mary in diesem Heim ertragen muss ist absolut unfassbar - und leider doch so realitätsnah. Behörden, die wegschauen, Bewährungshelfer, die nicht helfen, Heimleiterinnen, die sich selbst am Leid ergötzen... das klingt leider nicht so fernab des Möglichen, wie ich mir das wünschen würde. Genau das hat das Buch für mich noch krasser gemacht. Auch steht immer wieder die Frage im Raum: wäre anders über Mary entschieden worden, wenn das getötete Baby Schwarz gewesen wäre? Wenn sie weiß gewesen wäre? Hätte es dann auch einen wütenden Mob gegeben, der die Todesstrafe fordert? Hier hätte man vielleicht noch mehr in die Tiefe gehen können, dieses "Ankratzen" hat mich aber schon zum Nachdenken angeregt. Man braucht für diesen Roman, der für mich schon an einen Thriller grenzt, Nerven wie Drahtseile. Seid euch dessen bewusst. Wenn ihr das abkönnt, dann greift aber bitte zu diesem besonderen Debütroman! Denn nicht nur inhaltlich, auch stilistisch konnte mich die Autorin hier überzeugen. Lediglich das Ende hat mir nicht gefallen, die Auflösung war in meinen Augen nicht schlüssig genug. Ich vergebe für dieses nervenaufreibende Buch 4,5 / 5 🌟 und werde ihre anderen Werke auf jeden Fall auch noch lesen!