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awogfli

Posted on 1.8.2020

Ich glaubte schon, dieses Buch, das ich mir immer im Rucksack mitgenommen hatte, irgendwo unterwegs verloren zu haben, aber es hat sich bei der Intensivreinigung während meines Urlaubs unter dem Bett wiedergefunden. Mittlerweile bin ich tatsächlich froh, dass es wieder aufgetaucht ist. Obwohl ich Kuzgeschichten bis vor kurzem gar nicht so sehr mochte und mich erst letztes Jahr wieder langsam damit anfreunden konnte - als Kind habe ich jene von Kishon verschlungen - wahrscheinlich habe ich deshalb viele Jahre schlechte Erfahrungen gemacht, weil ich so wenige gute gelesen habe, war ich überrascht, wie gut mir einige von Franka Potentes Erzählungen gefallen haben. Vor allem die ganz kurzen sind für mich ganz großes Kino. Jene mit dem Reiskorn hat mir am besten gefallen. Was auch noch extrem positiv hervorzuheben ist, ist der Umstand, dass sie alle einen thematischen Schwerpunkt haben. Sie handeln von Japan und von der japanischen Kultur. Potente zeichnet in den kleinen sehr leisen Episoden ein ziemlich gutes Bild von einer Gesellschaft, die wirklich ganz anders ist als die europäische mit ihren Konventionen, ihrem starren Korsett an do's und don'ts, dem Ehrgeiz der modernen Leistungsgesellschaft, den alten Traditionen und den Werten. Als Augenzeugin kann ich zwar nicht beurteilen ob die Autorin so authentisch schreibt, denn ich kenne zu wenig Japaner, als mittelbare Lesezeugin aber schon, denn ich habe schon einige Bücher von japanischen Schriftstellern gelesen und das was Potente schreibt, fügt sich konsistent ins Gesellschaftsbild, ohne alte Klischees zu wiederholen oder auch jemanden zu kopieren. Schreiben Nothomb als Europäerin immer in der Außensicht über diese uns fremde Gesellschaft als teilnehmende Beobachterin und Protagonistin und die japanischen Schriftsteller, wie Murakami oder Nakamura aus Innensicht so schafft es Franka Potente oft, obwohl sie ja auch kein Teil der Gesellschaft ist, aus zwei Sichten sehr wertschätzend diese Kultur zu beleuchten, ohne dabei aufgesetzt zu wirken. Sie stellt oft das alte Japan aus Innensicht in der Figur einer den traditionellen Werten verhafteten Person dem der Außensicht eines Fremden oder eines Japaners, der sich bewußt nach westlichem Stil auflehnt, oder aus der Sicht einer japanischen Austauschschülerin, die gerade 8 Monate in Amerika verbracht hat, entgegen. Fast in jeder Story geht es entweder um traditionelle Werte oder um einen Zusammenprall von alt und neu beziehungsweise Ost und West in Form eines Konflikts oder um eine Annäherung. Sehr gut gezeichnete Figuren und Lebensszenen bevölkern dieses Buch, da ist die Liebe zwischen der Schwedin Ingborga und Tetsuo, der sie wegen Ihres offenenen fordernden Umgangs mit ihm als einen Samurai der Liebe bezeichnet, oder Miyu, die in einem Nachtclub strippt und ihre Schwester erstmalig damit konfrontiert, oder Naski, die während eines Schüleraustauschs in Amerika endlich ihr gesellschaftliches Korsett abwerfen darf, die Freiheit in der Gastfamilie in vollen Zügen genießt und nie wieder in ihre Heimat zurückmöchte, dies aber in Folge des Todes des Großvaters plötzlich wieder muss. Oder auch der todkranke einsame Herr Massamori, der kurz vor seinem Tod von einem Freund einen Fernseher geschenkt bekommt und in die Welt des amerikanischen Wrestlings eintaucht. Dass Potente die Motive ihrer klassischen japanischen Prototypen so authentisch schildern kann, ohne dass sie wie Schablonen oder Klischees wirken, sondern wirklich wie echte Figuren mit Facetten und Herz, liegt wahrscheinlich am Umstand, dass sie sehr vielen Japanern sehr intensiv und genau zugehört hat. Anders kann ich mir so gute Schilderungen schwer vorstellen. Wenn ich dann noch in die Bewertung einfließen lasse, dass dies das erste Buch und offensichtlich der erste Schreibversuch der Autorin ist, dann muss ich ob der Qualität einfach den Hut ziehen und runde sehr begeistert die 3,5 auf 4 Sterne auf. Fazit: Auf jeden Fall lesenswert und auch spannend zu beobachten, dass eine Frau, die man bisher nur als Schauspielerin gekannt hat, literarisch so etwas zusammenbringt.

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