Profilbild von elena_liest

elena_liest

Posted on 20.7.2020

“Wenn mich heute jemand fragt, ab wann ich mich als Feministin bezeichnet habe, kann ich das nicht genau sagen, aber irgendwann bekam ich den Verdacht, dass die Gleichberechtigung sich doch nicht von allein ergibt, wenn alle so weitermachen wie bisher, mich eingeschlossen. Dass es nicht reicht, individuelle Freiheiten trotz Ungerechtigkeit zu erlangen, sondern dass die Gründe für die Ungerechtigkeit wegmüssen.” - Margarete Stokowski, "Untenrum frei" In "Untenrum frei" verbindet Margarete Stokowski Privates mit Öffentlichem, kommt von kleinen (und manchmal auch etwas größeren) Details aus Ihrem Leben zum großen Zusammenhang und schafft mit persönlichen Anekdoten Aufhänger für die großen Fragen des Feminismus und des Patriarchats. Dabei bleibt ihr Stil immer locker flockig und doch ernst, was das Lesen zusätzlich zu diesem grandiosen Inhalt noch bereichert hat. Zunächst wirkt die Reihenfolge ihrer Erzählungen etwas willkürlich, der rote Faden muss augenscheinlich erst gefunden werden. Nach und nach ergibt sich aber ein (erschreckendes) Gesamtbild der Gesellschaft, die immer noch geprägt ist von der Ungleichheit und Unterdrückung der Geschlechter, dem Sexismus in all seinen Facetten sowie den vielen, vielen sozialen und sprachlichen Tabus. Stokowski erzählt den Leser_innen, wie es ist, als Mädchen in Deutschland aufzuwachsen. Sie spricht von unzulänglicher Aufklärungsarbeit, Essstörungen und Erfahrungen von Gewalt (bei einem Fahrradunfall verletzt sie sich "untenrum", als Jugendliche wird sie von ihrem Lehrer der Schach-AG vergewaltigt - beide Male bleibt sie stumm, da ihr die beschreibenden Worte fehlen), aber auch von Sex und Liebe. "Untenrum frei" macht betroffen und wütend. Es macht aber auch Mut. Mut, für Gerechtigkeit einzutreten. Mut, gegen das Patriarchat aufzustehen und aufzubegehren. Mut, selbst für Veränderung zu sorgen. Außerdem hat es mir gezeigt, dass ich nicht alleine bin. Ich bin nicht alleine damit, dass ich für meine Ansicht, dass alle Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer Sexualität und ihrem Körper die gleiche Freiheit haben sollen, als radikal gelte. Ich bin nicht alleine mit dem Hass, dem Unverständnis und dem Gefühl des lästig seins, das mir als Feministin entgegen schlägt. “Wir werden Forderungen stellen, die wir zuvor nie gewagt hätten zu stellen, und wir werden dabei nicht "bitte" sagen, denn man sagt gar nicht "bitte" bei Revolutionen. Man sagt nur "danke" zu denen, die mitgekämpft haben.” Ich möchte, dass alle dieses Buch lesen. Es ist wichtig, bereichernd und einfach nur grandios.

zurück nach oben