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awogfli

Posted on 17.7.2020

Szenen einer postnatalen Depression in Jugendsprech Ich lese sogenannte Skandalbücher gerne erst, wenn sich der Hype und die sich aufschaukelnden positiven wie auch negativen Kommentare etwas gelegt haben, um unaufgeregt und etwas neutraler an die Chose heranzugehen. Deshalb habe ich mir erst jetzt den Aufreger des letzten Jahres von Charlotte Roche vorgenommen und muss feststellen, dass er bei weitem nicht so skandalös, so uninspiriert, so grottenschlecht dumm aber auch nicht so sensationell für mich war, wie von den einzelnen verfeindeten Lagern kolportiert wurde. Doch gleich zu den Details: Eins vorweg, ich finde das Werk ist tatsächlich ein Frauenbuch und nicht mal eines der allerübelsten Sorte. Die um sich selbst kreisende, unsymphatische Chrissie leidet an einer ausgewachsenen postnatalen Depression und bekommt den Arsch (sorry ich passe mich grad ein bisschen an die Materie an) nicht mehr hoch, gammelt den ganzen Tag herum, schläft viel und komamäßig, um nicht ihre Rolle als Mutter ausfüllen zu müssen. Also der ganz normale Babyblues. Innovative, witzige und einzigartige Ideen hat sie wirklich, die Frau Roche, das muss ich ihr anerkennend auf die Rechnung schreiben. Da wäre beispielsweise das Handtaschen-Innenlicht, um im Chaos des weiblichen Kulturbeutels endlich mal was zu finden, das die Hauptfigur im Internet geshoppt hat (Mammamia das #willichhaben!!!), die Oma, die ausgerechnet zu jenem Zeitpunkt abgekratzt ist, als Google Earth vorbeikam und deren Leiche jetzt wahrscheinlich ewig im Internet zu sehen ist, bis wieder ein Satellit in dieser gottverlassenen Gegend vorbeikommt, oder auch die finale Erkenntnis, dass die von einigen Frauen irrige typische Aussage „Ich halte den Stress in der Arbeit nicht mehr aus, ich krieg lieber ein Kind“ einen massiven Denkfehler beinhaltet.“ So geht es munter weiter, und das finde ich jetzt nicht gar so dümmlich. Auch die zum Skandal hochgepushten Gewaltfantasien sind so dramatisch gar nicht. Ich war sehr verwundert, als bis zur Hälfte des Buches diesbezüglich nichts kam. Gewalt wird in diesem Roman nicht exzessiv zelebriert, sondern im Gegenteil nicht sehr häufig, wohldosiert und dramaturgisch pointiert eingesetzt. Wenn wir ehrlich sind, hatte jeder schon mal den kurzen Gedanken, einer Person, die einfach alles besser kann als man selbst, kurz mal einen Rempler über das Stiegengeländer zu geben, genauso wie Chrissie bei ihrem Kinder-und-sonst-noch-Mädchen-für-alles kurz über diese Möglichkeit nachdenkt. Dann gibt es außerdem die eine doch intensivere Gewaltfantasie mit ihren Eltern, die es meiner Meinung nach tatsächlich verdient haben. Die etwas zu drakonische sexuelle und anschließend letale Bestrafung spiegelt exakt das Vergehen, den Sündenfall von Mami und Papi wider, was ich erneut als eine sehr innovative Idee der Autorin erachte. Die Sexszenen und körperlichen Widerlichkeiten sind bei weitem nicht so grauslich und effektheischeind sinnlos wie in Roches Erstlingsroman “Feuchtgebiete”, sondern nur ein bisschen lesbisch angehaucht und beinahe gar nicht von der Fremdschämfraktion. Ist das nun von mir eine Lobeshymne auf den Roman? Auf keinen Fall! Das dicke Ende kommt noch! Das skandalöseste an „Mädchen für alles“ ist für mich dessen armselige, dümmliche Sprache und hier kann ich jedem literarischen Verriss nur inbrünstig zustimmen. Im Stile der verbal komplett abgehalfterten Jugendsprech-Generation, die mich schon seit Jahren mit Aussagen wie „kann ich ein Eis“ nervt, wird massiv an Hilfszeitwörtern, Präpositionen, Adverbien, Gliedsätzen und allen anspruchsvolleren Satzkonstruktionen gespart, dass sich dem Freund bzw. der Freundin des gepflegten Deutschs die Zehennägel schmerzhaft aufrollen. Was wollen die Autorin und der Verlag mit dieser Aktion? Ist so eine Spracharmut nun auch Zeitgeist? Zugegeben, ich bin mittlerweile schon so alt, dass ich anscheinend völlig vergessen habe, dass diese minimalistischen jungen Sprachakrobaten bereits zu Fortpflanzung und Mutterschaft fähig sind. Insofern könnte der Roman auch dahingehend funktionieren, dass man die junge Generation zum Lesen bringen will. Für mich ist dieses Gebrabbel aber nur ein Graus! Auch das Ende hat mir nicht gefallen sehr uninspiriert und abrupt. Fast könnte man meinen, die Autorin hat die Geschichte, die Beziehungen der beteiligten Hauptprotagonisten und die psychologischen Implikationen überhaupt nicht zu Ende gedacht, einfach aus Faulheit den Stift fallen lassen, um mit so ala „juhu es war nur alles nur eine Fantasie“ wenigstens irgendwie so was ähnliches wie eine Pointe zum Abschluss zusammenzuschustern. Fazit: Ein mittelmäßiges Werk – nicht so schlecht – wenn man über die Sprache hinwegkommen würde, könnte man es fast als gegen besser tendierend bezeichnen. Da es keine halben Sterne hier gibt muss ich exakt bei 2,5 zähneknirschend eine 3 vergeben - fair ist fair :-)

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