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awogfli

Posted on 17.7.2020

Tsukuru Tazaki verbindet in seiner Schul- und zu Beginn seiner Studienzeit ein sehr enges Verhältnis mit seinen fünf besten Freunden. Die zwei Mädchen und drei Jungen bilden als Gruppe das perfekt harmonische Beziehungsgeflecht. Völlig unvermittelt wird Tsukuru aus der Gemeinschaft ausgeschlossen, niemand spricht mit ihm über die Gründe und keiner will ihn mehr sehen. Dieses traumatische Erlebnis führt zu einem riesengroßen Knacks in seinem Selbstbewusstsein und zum kompletten Vertrauensverlust, von dem er sich jahrelang - nein mehr als ein Jahrzehnt lang nicht mehr erholt. Erst als sich Herr Tazaki verliebt, und dieses unsägliche Jugenderlebnis droht, seine Beziehung zu sabotieren, macht er sich auf den Rat seiner Freundin auf, um die ungelöste Frage seiner Vergangenheit zu klären. Diese Reise fördert erstaunliche neue Erkenntnisse zu Tage. Schon mein erster Murakami-Roman hat mich vor Jahren regelrecht verzaubert. Ich liebe seine wundervolle Bildsprache und den Umstand, dass Realwelten, Vorstellungen, Traumwelten und mystische Welten beim Autor immer durchlässig sind, manchmal sogar sehr verwirrend nahezu verwischen. „Wie dieser Mann in der Bibel, der von einem Wal verschlungen worden war und in dessen Bauch überlebt hatte, war Tsukuru in den Magen des Todes gestürzt und hatte Tag für Tag in dessen dunkler, dumpfer Höhle verbracht. Ohne jedes Zeitgefühl. Er hatte gelebt wie ein Schlafwandler oder wie ein Toter, der noch nicht gemerkt hatte, dass er tot war.“ Dieser Roman ist aber sehr viel realistischer als manch anderer des Autors, stehen doch Beziehungen, Verletzungen, Selbsterfahrung und Freundschaften im Vordergrund. Die Geschichte hat ein langsames, gemächliches Tempo, nimmt sich aber dadurch die Zeit, die Essenz von Freundschaft und Beziehung sehr genau unter die Lupe zu nehmen. Manche mögen das als etwas langweilig und farblos bezeichnen - so wie sich Herr Tazaki ja auch selbst charakterisiert – mir gefällt es sehr gut. Lediglich mit dem Ende bin ich wie so oft nicht ganz zufrieden. Der Autor ist meiner Meinung nach ein miserabler Finisher und ich stehe einfach nicht auf lose Fäden, zahllose Handlungsstränge, in denen sich der Schriftsteller selbst verirrt hat etc. Dieses Mal hat Murakami eine neue Art gefunden, mich ein bisschen zu quälen: Er verweigert mir schlicht und ergreifend den Abschluss der Geschichte. So ein Schurke! ;-) Wer sich von einzelnen schlechten Literaturkitiken (es gab auch viele begeisterte) - z.B. von Frank Schäfer in der TAZ oder Karl Markus Gauß, den ich als Autor sehr schätze, in der NZZ abgeschreckt fühlt, die im Werk die Kombination aus Zen und Star Wars als gravitätischen Pipifax kritisieren, nur weil ein Zitat aus Star Wars als Gegenstand der Popkultur von Murakami verwendet wird, denen sei gesagt, philosophische Weisheiten müssen nicht, weil sie nicht so menschenverachtend, wirr und kompliziert wie jene von Nietzsche und Schopenhauer daherkommen, gleich auf einem Niveau von Coelho und Rosamunde Pilcher sein (sagte Gauß wortwörtlich). Das ist gemein und intellektuell sehr überheblich, alles, was nicht ganz so hochtrabend gehirnwichsend daherkommt, gleich einem Niveaulimbo sofort ganz unten an der Qualitätsskala des philosophischen Gewäschs (dort rangieren für mich persönlich tatsächlich Pilcher und Coelho) anzusiedeln - es gibt auch sehr viele Nuancen in der Mitte und exakt dort sehe ich Murakami. Philosophie, vor allem die etwas fernöstlich angehauchte, vom ZEN inspirierte, wird durch komplette Unverständlichkeit qualitativ nicht besser, muss aber auch, um einigermaßen integrierbar und verständlich zu sein, nicht auf dem Niveau von Omis Binsenweisheiten fungieren. Fazit: Für mich eine wundervolle Erzählung über Freundschaften und Beziehungen gewürzt mit einer Botschaft - meisterlich erzählt

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