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awogfli

Posted on 18.6.2020

Der kleine Band, der fast in jede Hosentasche passt, ist definitiv kein Kochbuch, sondern ein interessanter Ratgeber, wie man nachhaltig essen, einkaufen, leben und kochen kann aus der Sicht von Starkoch Rudi Obauer. Dabei propagiert der Autor ohne Moralinsäure einen umweltbewussten, nachhaltigen, selbstbestimmten und dennoch genussorientierten Umgang mit dem Thema Essen und alles was damit zusammenhängt: Wie wird der Konsument von der Nahrungsmittelindustrie beim Einkauf manipuliert und wie kann man sich selbst vor den Psychotricks der Unternehmen schützen, wie sollte eine Küche eingerichtet sein, welche Geräte sind unnütz, wie koche ich saisonal und umweltverträglich, wie lerne ich den für mich richtigen Genuss zu finden, wie bewirte ich Gäste, wie wirkt sich Stress auf das Geschmacksempfinden aus etc. Gewürzt ist dieser Lebensratgeber nicht nur mit guten Tipps sondern auch mit einer gehörigen Portion Ironie. „Du stehst vor zwei verschiedenen Marken Mineralwasser, auf einer davon prangt deutlich sichtbar die Kennzeichnung „gluten- und lactosefrei“. In diesem Fall halte kurz inne. Und frage Dich, bevor Du das vermeintlich verträglichere nimmst, wie viel Getreidekleber und Milchzucker Wasser enthält.“ Auch dem von vielen Haubenköchen geächteten Jamie Oliver zollt er durchaus Respekt in der Rolle, die dieser fürs Kochen in den letzten zehn Jahren gespielt hat, wodurch Obauer für mich sofort sehr an Glaubwürdigkeit gewinnt, und überhaupt nicht abgehoben rüberkommt. „Und ich rede nicht von einem Kochen, bei dem wieder nur Leistungsdruck und Wettbewerb im Vordergrund steht, bei dem in Milligramm und Zehntelgrad gerechnet wird. In diesem Sinne bin ich sogar ein Fan des Briten Jamie Oliver, der viel dazu beigetragen hat, das Kochen zu befreien und Lust darauf zu machen. 170 oder 175 Grad im Backrohr? Ein Schuss Öl oder zwei? Ein anderes Kräutlein als im Rezept vorgesehen? So wichtig ist das gar nicht. Jamie Oliver regt die Menschen zum Kochen an, das ist sein Verdienst.“ Rudi Obauer hat sich offensichtlich nach einem Herzinfarkt hingesetzt und für sich und andere Menschen diesen Ratgeber erstellt. Neben sehr gelungenen Checklisten, die die einzelnen Kapitel dann noch in Form von Fragen an sich selbst zu einem Leitfaden zusammenfassen, gibt es ab und an vereinzelt doch noch ein paar Rezepte, die aber sehr gut in den restlichen Inhalt integriert sind. Leider kommt nun von mir jedoch die gravierende Kritikkeule. So wundervoll großartig wie sich dieses Buch liest, schmerzt und ärgert es mich doppelt so stark, dass es gar so kurz ist: Nur 115 Seiten nicht mal in A5 und zudem sehr groß geschrieben – da ist man als Leser in 30 Minuten durch. Lieber Herr Obauer ich möchte vier Mal so viele Tipps von Ihnen, also wenn Sie schon ein Buch schreiben, das auch noch so grandios ist, sollten Sie sich einfach länger hinsetzen und nachdenken, welche Weisheiten Sie mir sonst noch verklickern könnten. Potenzial für weiteres Material gäbe es rund um das Thema Kochen und Essen zur Genüge. Das ist mir einfach zu wenig! Fazit: zu kurz, zu kurz, zu kurz, aber sehr gut

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