awogfli
Dieser Roman hat mich von der ersten Szene an sofort gepackt, nie mehr losgelassen und schwer begeistert. Ich könnte ein Liebeslied schreiben über die Verbindung zwischen mir und solchen Liebesgeschichten, wie sie auch die Autorin erzählt, die uns zwar sehr viel über Beziehungen beibringen, aber keinen Funken Romantikgefasel aufweisen, denn ich bin eine inbrünstige Romantikhasserin. Die Autorin wirft die Leser*innen mitten in eine ausgewachsene, super detailliert und extrem realistisch geschilderte Panikattacke der Protagonistin Ada. Ich weiß, wie sich das anfühlt und wovon sie redet, denn ich hatte meine erste mit 22 Jahren an einem Sonntag auf der Autobahn zwischen Ausfahrt Asten und Linz von Wien kommend, fahrend mit 140km/h und Pink Floyds „Shine one you crazy diamond“ im Radiorecorder. Ada ist eine begabte junge Schauspielerin, die ihr Leben aufgrund ihrer Ängste eher schlecht als recht auf die Reihe bekommt. Durch ihre Panik, die sie davon abhält, beruflich richtig durchzustarten, ihre aufwendigen Rituale, die sie gegen die aufkommende Angst durchspielt und die Vertuschung ihrer Defizite vor ihren besten Freunden, hat sie permanent Geldprobleme, weil sie einerseits zu wenig Geld verdient und sie andererseits auch zu viel Geld ausgeben muss, um irgendwie die Angst niederzukämpfen und Normalität vorzuspielen. "Ada schloss die Augen. Da war sie wieder diese Taucherglocke aus trübem Glas, die sie vom Tag trennte und das Atmen schwer machte. Dieses taumelige Gefühl, wie manche es haben, wenn sie aus dem Tiefschlaf gerissen werden und die Bilder im Kopf noch stärker sind als das, was die müden Augen wahrnehmen. Ada hob ihre rechte Hand auf Brusthöhe, hielt sie einen Moment so und schaute sie an: Die Hand zitterte. Und wenn die Hand jetzt schon zitterte, dann würde es nicht mehr lnage dauern, bis die Taucherglocke ihr den Kopf unter Wasser drückte, tief in ihr eigenes Angstwasser hinein." Durch diesen Teufelskreis schuldet sie ihrem Vermieter Matuschek nun mehrere Monatsmieten. Dieser Matuschek ist auch ein ganz liebevoll geschilderter Charakter, ganz gegensätzlich zu einem Miethai bringt er für die Kalamitäten der jungen Ada doch sehr viel Verständnis auf und er versichert ihr, dass er sich eine Kompromisslösung einfallen lässt, die für beide Seiten erträglich sein wird. Dann passiert etwas, das sich Ada nie hätte träumen lassen, völlig konsterniert stellt sie fest, dass Matuschek seinen Enkel Juri in ihrer Wohnung – respektive in Ihrem ritualisierten Angstzimmer – einquartiert hat. Ada fühlt sich völlig überrumpelt, in ihrem Leben gestört und ihre Privatsphäre gekapert. Doch Juri stört auch intensiv ihre Angst. Welche Analogie! Er ist ja auch in ihrem Panikzimmer eingezogen, in dem sie alle ihre potenziellen Ängste aufgeklebt hat, indem er es ganz unkompliziert in Besitz nimmt, es mit seiner eigenen Persönlichkeit füllt, die Zettel einfach von der Wand nimmt und diese wegwirft. Sonst ist er ein äußerst angenehmer Wohngemeinschaftsgenosse, sensibel, freigiebig, etwas still und nicht übergriffig, einer, mit dem man leicht auskommen kann, weil er nicht stört und auch sonst eher leise ist. Nach und nach nähert sich Ada einerseits Juri an, andererseits will sie aus der Situation flüchten, indem sie sich in einer anderen Stadt, nämlich in München, für ein Engagement bewerben will. Leider schlägt die Panik wieder zu und vernichtet sowohl ihren beruflichen Aufstieg als auch ihren Umzug. Nach und nach nähern die beiden sich immer weiter an, in wundervollen, total unkitschigen Szenen wird eine Freundschaft geschildert, die sich recht gemächlich in eine zart aufkeimende Liebe verwandelt: nächtelange Gespräche, Ada bringt Juri das Fahrradfahren bei und wie man Schlaflosigkeit bekämpft, Juri bringt Ada bei, wie man einen Fehlkauf rückgängig machen kann und das Geld zurückbekommt, Ada bemerkt erste Eifersuchtsgefühle, als sie eine Affäre Juris in der Wohnung kennenlernt, Juri begleitet Ada ins Krankenhaus, als sie eine Panikattacke bekommt und ahnt somit als erste Person ihres Lebens etwas von Adas enormen Problemen. Das ist dann auch der Punkt, an dem Ada Juri zurückstößt, da er ihr zu nahe gekommen ist. Nach noch ein paar Wendungen, Missverständnissen und Problemen gibt es auch noch ein ganz leises, wundervolles aber eben unromantisches Happy End – eigentlich ja nur einen kleinen Neuanfang, sonst wärs ja wieder kitschig, denn dieses „Liebe heilt alles“-Gewäsch hasse ich ja noch inbrünstiger als die romantische Gefühlsduselei. Den erwähnten Neuanfang gibt es übrigens nicht nur für Juri und Ada sondern auch für Adas Freundin Maria und dem Opa Matuschek, der in die rassige Maria schon ewig verschossen war, auch seine Angst überwunden und endlich einen Vorstoß gewagt hat, die Initiative zu ergreifen. Fazit: Eine grandiose leise Geschichte über Ängste, Probleme, Nähe, Freundschaft, Liebe und den Mut, alle Hindernisse überwinden zu wollen.