awogfli
Wenn ein Schriftsteller eine neue Reihe mit einem ganz neuen Setting und taufrischen Figuren startet, bin ich immer sehr erfreut, denn ich bin der Meinung, dass sich die Protagonisten und die Story irgendwann zwischen Band 4-8 stark abnutzen und der Schwung, die Innovation in dem geschaffenen Universum fast immer verlorengehen. Ich war ja Fan der ersten Stunde von der Metzger Reihe, bei der es mir ab Band vier genauso ging. Thomas Raab hat nun einen neuen ländlichen Mikrokosmos namens Glaubenthahl mit einer etwas grantelnden Seniorenermittlerin namens Hannelore Huber geschaffen, der mir sehr gut gefällt. Besonders hat mich vor allem der bösartige, richtig fiese Humor des Autors erfreut, aber auch dieses ländliche Amigogehabe und die Ämterkummulation in den know-how-mäßig und personell ausgedünnten Dorflandschaften, die ja förmlich nach Korruption, Vertuschung und größeren Verbrechen schreien, haben mich sehr amüsiert. Die Renitenz, die Bauerschläue und die Altersboshaftigkeit triefen fast aus jedem Buchstaben dieses Romans. Der Mann von Frau Huber, der titelgebende Walter, ist also gestorben, seine „trauernde Witwe“ ist erstens irgendwie ein bisschen erleichtert und freut sich zweitens ob ihres neu beginnenden selbstbestimmten Lebens. "Beschwingt dabei ihr Schritt, der Gehstock nur Atrappe, Placebo, Werkzeug, und ja, kurz kam der alten Huber unterwegs sogar ein Lächeln aus. Und das will was heißen bei Mundwinkeln, die sonst kaum über die Waagrechte hinausragen. War ja auch kein lustiges Leben bisher. Genau dieser betrübliche Zustand sollte sich nun grundlegend ändern." An diesem Punkt setzt der Autor mit dem Text eines Liedes, das der Protagonistin in den Sinn kommt, auch noch einen von ein paar grauslichen, sehr witzigen Ohrwürmern, vor dem ich alle prophylaktisch warne. Also klickt auf eigene Gefahr hier. "Ein ziemlich kleiner magerer Mann war ihr Walter, stets darauf bedacht, sein Gegenüber auf Augenhöhe herunterzubekommen, sprich ein paar Köpfe einzukürzen. Selbsterhöhung durch Fremderniedrigung. Ganze Familien, Länder oder gleich der komplette Globus mussten da schon ihren Schädel hinhalten, nur weil sich so ein einzelner Giftzwerg nicht richtig auswachsen durfte." Doch irgendwie will dieser blöde Gatte nicht in die Grube, denn im Sarg liegt ein anderer, was durch einen Unfall bei der Beerdigung zufällig zu Tage tritt. Walters Leiche ist verschollen, selbst im Tode schlägt er der Witwe noch ein Schnippchen, spielt sich in den Vordergrund, indem er quasi davonläuft. Das und der Mangel an kompetentem Personal in der ländlichen Idylle, das das Verbrechen aufklären könnte, inspiriert die alte Huber, sich selbst auf die Suche nach Walter zu begeben und den Grund für die weitere Leiche(n) bzw. die Vertauschung aufzuklären. Was dann folgt, ist ein recht vergnüglicher typischer Landkrimi mit Korruption, Vertuschung, Amigos, Liebe, und Toten, der vom Krimiplot her aber wenig sensationell und effektheischend ist. Im Gegenteil, am Ende bleibt recht wenig Kriminalhandlung übrig. Die Figuren sind liebevoll entwickelt und die Sprache ist Raab-typisch ganz meine, trotz gewollt simpler Konstruktion voll Wortwitz und Fabulierkunst. Dennoch hat mich stilistisch in diesem Werk etwas so massiv gestört, dass es mir nach und nach die Leselust vergällt hat. Raab arbeitet mit folgendem Konzept: Die Gedankensprünge werden im Stakkato eingesetzt. Er stiftet absolute Verwirrung, klärt auf den nächsten Seiten alles wieder auf und setzt zum erneuten Gedankensprung an. Das ist fast so wie beim Angeln: ausholen … reinziehen … ausholen … reinziehen. Am Anfang war es nur ein bisschen anstrengend, herausfordernd und erforderte Konzentration, aber da sich dieses Stilmittel durch den ganzen Roman zog, war es letztendlich nur noch nervig, da es den Lesefluss und die Rezeption der Handlung enorm störte. Fazit: Eine gute neue Reihe mit einem für mich ansprechenden Setting. Der Roman hat aber ob des mageren Krimiplots und der stilistischen Mühsamkeit noch einiges an Luft nach oben.