awogfli
Das Buch startet so ambitioniert, verspricht so viel, enttäuscht mit zunehmender Seitenzahl immer intensiver und zerschellt richtiggehend an seinen zu groß gewählten Vorbildern. Es ist eine richtige Tragödie. Ein großartiger Start! Der 57-jährige Gymnasiallehrer Mundus Gregorius, Spezialist für tote Sprachen und auch sonst der langweiligste Mensch der Welt, hat plötzlich eine Epiphanie, als er eine fremde Portugiesin auf dem Weg zur Schule trifft, die von einer Brücke springen will. In einer Buchhandung findet er am selben Tag zufällig das Buch des portugiesischen Autors Adameu Inacio de Almeida Prado. Mundus hält dies für ein Zeichen und stellt sein monotones Leben in Frage, lässt alles liegen und macht sich mit Zug auf nach Lissabon, um den Spuren von Adameu Prado zu folgen und eine lebendige Sprache zu erfahren - was für eine Analogie. Der Roman erinnert mich frappant im Stil und im Plot an Zafons Schatten des Windes, der wahrscheinlich auch Vorbild gewesen ist. Eine Schnitzeljagd, ein Entdecken einer südeuropäischen Stadt mit einem Buch in der Hand auf der Suche nach dem Wesen eines Autors. Diesmal Lissabon statt Barcelona und der Protagonist trägt als typischer spießiger Schweizer noch seine eigenen Probleme in die Story. Leider sind die Schuhe, die sich Pascal Mercier in seinem Roman angezogen hat, bei weitem zu groß, mit jeder Szene wird dem Leser bitter bewusst, dass er von der Plot Qualität nicht an sein Ziel und an sein Vorbild heranreichen kann. Ab der Hälfte des doch sehr langen Romans (500 Seiten) kommt massive Langeweile auf und endet auch nicht mehr, nämlich durch die sehr inflationäre Integration von Amadeu Prados Schriften in den Plot. Ca. 40% davon bringen die Handlung direkt voran ca. 20% geben Einsichten in den Charakter des Protagonisten und 40% sind larmoyantes nutzloses Geschwafel, das sich Mercier hätte sparen sollen. Es nervt vor allem in seinem Gegensatz zu Zafons Fabulierkunst und genial punktuellen Einsatz der historischen Schriften in die Handlung so derart, dass es wehtut. Das einzige, das mich doch am Rande sehr interessiert hat, waren die historischen Bezüge des Romans und der handelnden Personen zum portugiesischen faschistischen Regime von Salazar, das Konzentrationslager Campo do Tarrafal auf der Insel Santiago auf den Kapverden, der Schlächter von Lissabon Mendes und der Widerstand, dem einige der Protagonisten wie Amadeu angehörten, der schließlich zur Nelkenrevolution führte. Das Ende der Geschichte und die finale Handlung sind wie das gesamte Buch. Sie versprechen so viel, sind aber im Endeffekt total unbefriedigend und verpuffen erneut. Einen guten Plot und gute Wendungen in eine Story zu schreiben, wie sein Vorbild Zafon ist dem Autor offensichtlich nicht gegeben, dabei würden sich so viele spannende Konstellationen bieten, auch mir wären auf den letzten Seiten einige spannendere Alternativen eingefallen. Fazit: Guter Beginn und grausam starkes Nachlassen in der Qualität. Das Potenzial der Geschichte wurde nie ausgeschöpft. Als Gesamtroman ist dieses Werk total entbehrlich, weist enorme Schwächen im Plot und in den Figuren auf, flankiert von nutzlosem pseudointellektuellem Geschwafel, das nicht wirklich zur Geschichte passt. Ich frage mich tatsächlich, wieso so ein schlechter Zafon-Verschnitt einen derartigen literarischen Erfolg feiern konnte.