awogfli
Im Prinzip gibt es zwei Arten von Regionalkrimis: Die erste verherrlicht total unkritisch den Aspekt der Regionalität und kommt mit dieser „wir sind wir“ eigentlich im Dialekt „mir san mir“-Mentalität daher, die alles Nicht-Regionale, Nicht-Originäre und Fremde ausgrenzt, beziehungsweise abwertet. Die zweite Art kritisiert diese Mentalität, indem sie sich drüber lustig macht oder sogar sehr böse die Finger in die Wunden der undifferenzierten Mikro-Xenophobie und der prinzipiellen Ablehnung von Neuem legt. Erstere Art von solchen Krimis bringt mich genauso wie die menschlich-ländlichen Vertreter dieser Mentalität einfach zum Kotzen. Diese Blut- und Boden-Philosophie, die gut versteckt in einem Regionalpatriotismus fröhliche Urständ feiert und bei der man meinen könnte, seit 1945 haben wir Leute vom Land (ich wohne auch dort) so gar nix dazugelernt. Gedacht habe ich, dass dieser Roman humorvoll eigentlich die zweite Art von Regionalkrimi bedient, in dem er augenzwinkernd die volkstümliche Musik auf die Schippe nimmt. Bekommen habe ich aber eine Rückkehr, eine Restauration einer Haltung, die auch noch völlig unironisch präsentiert wird, die das Brauchtum und die eigentliche originäre ursprüngliche Volksmusik als einzig identitätsstiftende Unterhaltungsform auf dem Land verherrlicht. Lieber Herr Dutzler, da ist mir die koksende musikalische Partie vom Musikantenstadel, obwohl ich sie sehr schwer aushalte, beim Arsch lieber, als diese selbstbeweihräuchernden auf Autochtonie pochenden Volksmusiker, die auch noch völlig unkritisch und liebevoll, als Prototyp eines Ausseers dargestellt werden. Dabei kenne ich die Gegend und auch die Leute persönlich sehr gut, bin ich doch in Bad Ischl zur Schule gegangen, meine beste Freundin aus der Schulzeit und Jahrzehnte darüber hinaus war aus dem Ausseerland, und da das eben nur einen Rutsch über den Pötschenpass ist, war ich fast jedes zweite Wochenende bei ihr zu Besuch. Auch in der Ausseer Community, die es nach Wien zum Studieren oder Arbeiten verschlagen hat, war ich dank der Freundin lange Zeit bestens integriert. Und in diesem Konglomerat an Ausseern gäbe es sehr viel einmal witzig zu hinterfragen und zu kritisieren. Zum Beispiel diese noch immer von den Einheimischen praktizierte bekloppte Unterscheidung zwischen geborenen Ausseern, die im engen Dorf ohne Weitsicht zwischen den Bergen eingeklemmt ohne irgendeine kurze Horizonterweiterung steckengeblieben sind, dann die nach Wien zum Studium oder der Arbeit ausgewanderten geborenen Ausseer, die von den Steckengebliebenen doch tatsächlich als Verräter beschimpft werden (ich war live drei Mal bei so einem eskalierenden Streit dabei), die Weanaseer, jene Wiener die sich in Aussee einen Zweitwohnsitz erstanden haben, die Fremden, also meist Ausländer, oftmals Deutsche und Menschen aus denNachbarländern, die der Liebe oder des Jobs wegen in Aussee arbeiten und wohnen und die Touristen, denen man Heimatidylle vorspielt und die fürs Geldbeschaffen und das wirtschaftliche Überleben (leider) notwendig sind. In diesem Roman wird ausschließlich der steckengebliebene Ausseer, der auch noch gegen alles andere wettert und sich in seiner Mikro-Fremdenfeindlichkeit suhlt, als typischer Ausseer in seiner Ablehnung von allem Neuen auf einen Sockel gestellt. Das geht sogar so weit, dass sogar Musiker, die mit neuen Strömungen experimentieren, als Verräter angeprangert und als unsympathische Figuren gezeichnet sind. Mehr stereotyp und schablonenhaft und a bisserl als Lokalpatriotismus, Brauchtum und Ursprünglichkeit förderndes angehauchtes rechtes Gedankengut geht eh nimma. Und da gäbe es noch viel mehr in Aussee an Brauchtum auf die Schippe zu nehmen. Einmal und nie wieder habe ich mich in die Höhle des Löwen ins Ausseer Bierzelt gewagt. Soviel Sex, Familiendrama, Streit, Gewalt und widerliches männliches Balzverhalten, gefördert durch massiven Einsatz des Katalysators Bier und Zirbenschnaps auf so wenig Quadratmetern kannst als Autor nicht einmal in der Fiktion erfinden. Obwohl ich von Bad Ischl und auch aus Ebensee Vieles gewohnt war, ist mir dort wirklich alles vergangen. Ach ja die feschen, selbtsverständlich gefälligen Figuren der Madln und Frauen, die natürlich allesamt zumindest gelegentlich Tracht oder trachtig angehauchte Kleidung tragen, (gibt ja in diesem Band fast nix anderes) werden dann auch noch über die Ursprünglichkeit und Korrektheit ihrer Dirndltracht (das bezieht sich tatsächlich auf das Tal und die dort übliche Farbe von Kleid und Schürze) definiert und kritisiert. Ich weiß, dass es so etwas schon lange gab und habe es als Kind selbst und als Jugendliche an anderen auch erlebt, da ich mich ab meinem elften Lebensjahr auf Grund der wahrgenommenen Ausgrenzungen überhaupt weigerte, Dirndl zu tragen. Aber nun ist ein neues Jahrtausend angebrochen und auch auf dem Land sollten wir endlich einmal mit dieser (Mikro-)Fremdenfeindlichkeit aufhören. Vor allem in Tourismusgebieten wäre das schon angebracht. Aber was erzähle ich denn, im Rahmen der Corona-Krise trat diese unschöne Fratze des menschlich total hässlichen Ausseers wieder zu Tage. Die vier Bürgermeister der Ausseer Gemeinden haben alle Zweitwohnsitzinhaber mit Security ausforschen lassen und ihnen ausgerichtet, dass sie zu Hause am Hauptwohnsitz bleiben müssen, denn sie wären unerwünscht im Ausseerland. Sie forderten von der Bundesregierung sogar eine Totalschließung ihrer Region. dass sie quasi nur für Einheimische errreichbar wäre, was auf Grund der wenigen Covid-Fälle gesetzlich überhaupt nicht möglich war. Den widerlichen Brief, den tatsächlich alle vier Bürgermeister unterschrieben haben, möchte ich Euch nicht vorenthalten. https://www.derstandard.at/story/2000116524560/buergermeister-versucht-nach-zweitwohnsitzer-schreiben-zu-kalmieren Also ich habe keinen Zweitwohnsitz dort, aber ich weiß, in welche fremdenfeindlichen Gemeinden, die es wagen, sogar Gäste aus anderen Bundesländern zu bashen, ich nach Öffnung des Tourismus nach der Krise, mein Geld sicher nicht mehr hintragen werde. Kein Wunder, dass des Ermittlers, Inspektor Gasperlmaiers Frau, sich in diesem Band auf eine Weltreise verzogen hat. Ich hätte auch schleunigst Fersengeld gegeben und wäre aus dieser Heimatidyll- und Brauchtumshölle geflüchtet. Aber nun weg vom Sentiment und den unterschwellig vermittelten Botschaften durch die Figurenentwicklung hin zum Plot des Krimis. Außer dass ich mich bei jeder Figur geärgert habe und die von mir irrtümlich und fälschlich erwartete Ironie nie finden konnte, war das Setting auch ziemlich langweilig. Ja es gab ein paar Verdächtige, aber das Finale war wenig überraschend. Fast schon schablonenhaft bediente der Autor das persönliche Eifersuchtsmotiv, das zwar schlüssig war, aber das habe ich eben schon tausend Mal genauso vorgesetzt bekommen ohne irgendeine innovative Variation oder eine Mini-Überraschung in der Story. Fazit: Vom Krimiplot her unterdurchschnittlich aber nicht ganz schlecht, von den Figuren, der Botschaft und der Stimmung her eine regelrechte Katastrophe – ergibt in Summe leider einen sehr schlechten Roman. Dieses hier dargestellte Ausseerland kann mir gestohlen bleiben. By the way, ich kenne und schätze einige - eigentlich sogar viele - Menschen dort, die den im Krimi präsentierten Figuren diametral entgegengesetzt sind: weltoffen, modern und menschenfreundlich.