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awogfli

Posted on 29.4.2020

Was ich wieder mal für mich persönlich gelernt habe: Hüte Dich vor Büchern, die in der Werbung als bittersüß beschrieben werden. Wobei - ganz so dramatisch war es auch nicht, aber der Roman von Anna Gawalda war für mich nur äußerst mittelmäßiger Roman mit einigen Ärgerfaktoren. Aber beginnen wir am Anfang. Also der Plot ist zu Beginn sehr wirrr mit inflationären entbehrlichen Szenenwechseln aufgebaut, die teilweise im Halbseitentakt daherkommen und dadurch den Roman dekonstruieren. Das fand ich extrem enervierend und machte mich ganz unruhig. Eine unnötige Qual, die nicht mal mit Qualität punkten kann. Gut dieses Stilmittel wird ab ca. 40% des Werkes obsolet, da die drei und dann vier Protagonisten beginnen, zusammenzuwohnen und viele Szenen gemeinsam zu haben. Am schlimmsten waren eigentlich die Figuren, die waren mir wirklich viel zu bemüht kurios durchgeknallt mit ein bisschen sehr oberflächlichem Seelenstriptease (Die Socken und die Unterwäsche bleiben aber angezogen) auf Pseudo-Tiefgang in der Untiefe getrimmt. Der stotternde Adelige mit feinen Manieren ohne Geld und mit großer Wohnung, der mit ein bisschen Schauspielunterricht seinen Sprachfehler korrigieren kann, nebenbei die große Liebe findet und sich von seinen Eltern emanzipiert. Der promiskuitive etwas ordinäre Koch mit leichter Bindungsstörung, der von der richtigen Frau dann schon zur großen Liebe kuriert wird. Seine ein bisschen demente Omi (Alzheimer kann sie ja nicht gehabt haben, denn das ist ernsthafter und kann nicht wirklich im Familenverband so nebenbei gepflegt werden). Und dann der größte Faux-Pas Gawaldas, die magersüchtige Camille, die schon bis auf die Knochen abgemagert, nur die große Liebe braucht, um schwuppdiwupp ohne Therapie quasi von selbst zu genesen. Der richtige liebevolle Mann, der zudem noch Koch ist, heilt alles 😡 auch eine ernstzunehmende Krankheit. Was für ein billiges, zudem unwahres und sehr respektloses Klischee vor allem gegenüber jenen Personen, die verzweifelt mit viel Aufwand und ärztlicher Begleitung jahre- bis jahrzehntelang gegen diese Krankheit kämpfen. Und dann auch noch quasi als ein bisschen durchgeknallter Proband mit ein paar "Marotten" (ja genauso stellt sich die Magersucht dar, als kleine Marotte, die man aufgeben kann) für das Globuli der Liebe von der Autorin regelrecht vorgeführt werden - das ist extrem ungut. Ja so setzt Gavalda als Ingredienzien die psychischen und physischen Störungen ihrer Protagonisten ein - als bourgeoises Beiwerk, als kleine Durchgeknalltheit für ihren zähen Liebeseintopf. Aber natürlich immer schön an der Oberfläche bleiben, denn das könnte ja sonst die Romantik zerstören. Ach ja sprachlich sehr gut und eloquent erzählt, dennoch werde ich ums Verrecken nicht auf drei Sterne aufrunden, denn diese "Liebe heilt alles" - Attitüde geht mir sowas auf meine Eierstöcke. Fazit: Entbehrlich und jetzt weiß ich wieder, warum ich so viele Probleme mit "typischer Frauenliteratur" habe.

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