elena_liest
"Wie herrlich ein durch die Plazenta dekantierter Burgunder schmeckt." - Ian McEwan in "Nussschale" In "Nussschale" erzählt Ian McEwan die Geschichte eines Verbrechens aus ganz besonderer Perspektive: die des Kindes im Mutterleib. Und wer könnte ein besserer Erzähler sein, einen besseren Monolog führen, als ein vollentwickeltes, noch ungebohrenes Kind im Mutterleib, das zwar alles mithört, aber nichts sieht und nichts unternehmen kann? Das namenlose Baby erlebt mit, wie die Mutter dem Vater fremd geht und mit ihrem Liebhaber einen Mordkomplott gegen den Vater schmiedet. Dabei bleibt der Autor aber durchweg humorvoll und besticht durch einen sehr philosophischen und tollen Schreibstil. Ich glaube ich habe noch nie von einem so eloquenten Fötus gelesen. Für mich war das Buch mal etwas ganz anderes und ich habe trotz der schlimmen Dinge, die passieren, oft schmunzeln müssen, da der Autor einfach einen einzigartigen sprachlichen Witz besitzt. Der Fötus muss sehr viel aushalten: eine Mutter, die den Vater umbringen möchte und ständig Alkohol trotz der Schwangerschaft trinkt (und das nicht gerade wenig), einen Vater, der sich nicht sonderlich um ihn schert und den Liebhaber der Mutter, der ihn nur als unnötigen Ballast ansieht. Hinzu kommen Gedanken zum aktuellen Zeitgeschehen und viele für mich sehr unterhaltsame Beschreibungen von Weinen. McEwan kombiniert hier einen Kriminalfall mit Zeitkritik und einer priese Tragödie. Mir hats wirklich außergewöhnlich gut gefallen und ich kann das Buch jetzt schon zu einem Jahreshighlight erklären 📖 Ich vergebe 5 / 5 ⭐, weiß aber nicht, ob das Buch für jeden was ist. Übrigens kann ich nichts zum Kontext zwischen "Nussschale" und Shakespeares "Hamlet" sagen, da ich letzteres nicht gelesen habe, der Roman soll aber wohl etwas daran angelehnt sein. Ich kann hier auch sehr das Hörbuch empfehlen - das gibt es bei Spotify und der Sprecher passt einfach perfekt zur Geschichte und ist sehr angenehm.