Dagmar
Hussein Jinah ist ein unfreiwilliger Chronist. Er wurde dazu einfach nur, weil er lernen, arbeiten und andere Länder kennenlernen wollte. Diese Haltung führte ihn und seine Familie schon nach Tansania, Südafrika und Indien. Wo auch immer sie hinkamen, der Rassismus war schon dort, bereit, seine hässliche Fratze zu zeigen. So war es auch, als Hussein Jinah mit einem Stipendium in die DDR nach Dresden kam. Er blieb. Auch nach der Wiedervereinigung Deutschlands. Auch, als Pegida- Anhänger begannen, zu demonstrieren. Jetzt, wo der Rechtsextremismus in ganz Deutschland erstarkt ist, ist er immer noch da. Er beobachtet, analysiert und zeigt Haltung. Das macht er so klar und konzentriert, dass seine Chronik auf gerade einmal 82 kleine Seiten passt. Auf diesen wenigen Seiten steht mehr Bedenkenswertes als auf tausenden von Nachrichtenseiten. Ankommen in der DDR: der Rassismus war schon vor Ort Zur Völkerfreundschaft à la DDR gehörte es, Studenten aufzunehmen. Doch die Erwartungshaltung an die Fremden war klar: Wir bringen dir Technik und sozialistisches Denken bei, danach gehst du zurück, wo du hergekommen bist, und verbreitest den Sozialismus. Ein Deal, mehr nicht. Integration war nicht vorgesehen. Kontakte zwischen Deutschen und Studenten aus dem Ausland haben sich beide Seite regelrecht ertrotzt – und dafür Nachteile in Kauf genommen. Dann zerbrach die DDR. Die Studenten und Fremdarbeiter hatten auf einmal einen unklaren Status: Würden sie eine Aufenthaltserlaubnis bekommen? Wo könnte ihr Platz in einem wiedervereinigten Deutschland sein? Hussein Jinah, der mehr Sprachen spricht als seine Nachbarn, wurde Sozialarbeiter und konnte so alle Veränderungen beobachten. Ich mag seinen Analysen über Verunsicherungen, Verluste, Angst und wie all das in Hass umschlagen konnte nicht vorgreifen – lest dieses schmale Buch.