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awogfli

Posted on 24.3.2020

Ewig lange habe ich mich vor dieser Rezension gedrückt, sie vor mir hergeschoben und mir den Kopf über meine Beurteilung zerbrochen. Dies geschah aber nicht aus dem Grund, dass ich nicht gerne Verrisse schreiben würde, im Gegenteil, da laufe ich oft in punkto Bösartigkeit und Humor zu meiner Höchstform auf. Das Problem, dass ich hier mit dem Roman und der daraus resultierenden Bewertung habe, ist der Umstand, dass ich gar nicht benennen kann, was mich konkret so an dem Buch gestört hat. Ich kann normalerweise immer recht sachlich formulieren, was der Autor beziehungsweise die Autorin meiner Meinung nach hätte besser machen können, oder warum gerade mir der Roman aus bestimmten persönlichen Gründen bzw. Neigungen und in welchen Kapiteln konkret gar nicht gefallen hat. In diesem Fall bin ich ein bisschen ratlos, ich kann nur ein vages Gefühl benennen. Dabei startete die Geschichte furios und sen-sa-tio-nell: Die Autorin präsentierte mir eine wundervoll beschriebene Mädchenfreundschaft mit Substanz und Hintergrund zwischen einer ungenannten Protagonistin und ihrer Freundin Tracey mit grandioser Verknüpfung von soziokulturellen Milieus, Werten und Gesellschaftskritik. Viele interessante Themen werden zu Beginn nahtlos und leichtfüßig quasi swinging in die Handlung eingeflochten wie Rasse, Identitätsfindung, soziale Schicht, Bildung, Leidenschaft für das Tanzen.... Zudem präsentiert uns die Story zwei großartig gezeichnete sehr vielschichtige junge weibliche Hauptfiguren ohne Zickenallüren mit substantiellen Problemen. Der Roman schien all das einzuhalten, was ich mir von Elena Ferantes Meine geniale Freundin erhofft hatte, aber nie gekriegt habe. Ganz plötzlich und sehr früh begann ich dann die meisten Kritiker nur zu gut zu verstehen. Ab Seite 103 verliert man als Leser zunehmend den Kontakt zu den Figuren. Alles wirkt auf einmal so aufgesetzt, blutleer und gefühlslos, als Aimee auftaucht. Die Figur der Aimee soll ja die Königin der Selbstinszenierung, Madonna darstellen und ist wahrscheinlich auch recht gut getroffen, aber mich hat diese oberflächliche seichte Glamourwelt der Superstars nicht interessiert. Die ungenannte Protagonistin beginnt als persönliche Assistentin für den Star zu arbeiten, und gibt fortan ihr eigenes Leben zugunsten des Supports von Aimee komplett auf. Milieustudien sind im Plot noch immer zahlreich vorhanden, aber die beschriebenen Milieus sowohl aus der Welt der Musikindustrie als auch abseits davon, wie beispielsweise das afrikanische Dorf, in dem Madonna ja Adoptivkinder geholt hat, war für mich gähnend langweilig und platt. Dabei bin ich prinzipiell and der Geschichte von Madonna gar nicht uninteressiert, aber ich weiß nicht, warum und auch wie die Autorin in der Entwicklung des Plots und der Figuren so derart den Anfangsesprit verlieren konnte. Ab der Hälfte war der Roman bedauerlicherweise für mich eine Qual. Irgendwie uninspiriert und langweilig, aber ich könnte nicht genau festmachen, warum und wo genau ich die Geschichte konkret so uninteressant fand. Fazit: Eigentlich wollte ich den neuen Roman von Zadie Smith lesen, habe aber dann kurzfristig zu Swing Time umdisponiert. Das hätte ich lassen sollen, wäre besser gewesen. Auch von mir gibt es leider keine Lesempfehlung für dieses Buch, obwohl mir das Herz blutet, weil der erste Teil gar so grandios war. Ich kann mir auch nicht vorstellen, wie es passieren kann, dass ein Roman plötzlich so abstürzt. 2,5 Sterne diesmal abgerundet auf 2

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