awogfli
Die Geschichte, die durch Vernons Couchsurfing in Teil 1 eine sehr rasante Achterbahnfahrt bis zum Totalabsturz mit Obdachlosigkeit auf der Straße vollführte, macht zu Beginn in Band 2 eine nerfenzerfetzend kreischende Vollbremsung und kommt auch irgendwie fast 120 Seiten nicht mehr in die Puschen. Die bereits eingeführten Protagonisten suchen Vernon, aber sonst passiert nichts, sie entwickeln sich nicht weiter und man erfährt auch lange Zeit keine neuen Facetten von ihnen. Bis auf eine Figur, die Hyäne, dümpelt der von der Autorin so perfekt aufgestellte Freundeskreis Vernons ganz schön lust- und ambitionslos dahin. Auch Vernon lernt auf seinem Weg auf der Straße infolge seiner Krankheit so gut wie keine neuen Leute kennen, die ihm Impulse geben könnten. Schon wollte ich ein bisschen am sanft aufkeimenden Frust verzweifeln, da bringt die schon erwähnte Hyäne Schwung in die Kiste, indem sie zuerst Alex Bleachs Bänder stiehlt und diese anschließend dem Grüppchen rund um Vernon vorspielt. Was hier dem Leser angedeutet wird, ist atemberaubend. Möglicherweise gab es einen vom Ungustl Dopalet inszenierten Doppelmord. Chapeau, Frau Despentes, so eine Wendung im Plot hätte ich nicht erwartet. Sehr Cool! Nach diesem Wendepunkt nimmt die Story unentwegt an Fahrt auf. Die Freunde organisieren sich, helfen Vernon und seinen obdachlosen Schicksalsgenossen und ein paar versuchen sich sogar mit total wahnwitzigen Aktionen an Dopalet zu rächen. Die Clique, die in Teil 1 Vernon nicht länger in ihren Wohnungen dulden wollte, wächst sehr stark zusammen Freundschaften werden erneuert und vertieft. Vernon wird zuerst der Sandlerkönig beziehungsweise Sandlerguru des Pariser Sommers und feiert weiter einen unentwegten Aufstieg. So liebe ich Geschichten. War der erste Band der Reihe noch von grenzenlosem Zynismus geprägt, so blitzt nun so etwas wie ein bisschen Hoffnung und Menschlichkeit in dem von Despentes konzipierten Universum auf. Die Leutchen sind zwar noch immer zynisch und böse, aber sie entwickeln sich zum Besseren- Herrlich! Fazit: Eine großartige Reihe, ich bin schon so gespannt auf Teil 3. Strengerweise muss ich aber mit Bedauern ein Sternchen abziehen, da es mehr als 120 Seiten Beschleunigung brauchte, bis sich der Roman wieder in gewohnter Despentes Rasanz und Qualität bewegt. Das war mir um eine Nuance zu schaumgebremst.