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awogfli

Posted on 10.3.2020

Asiatische Schriftsteller sind ja völlig Meines und haben mich ganz selten enttäuscht. Sie vermitteln meist eine fremde exotische Kultur, beschreiben eine mir völlig fremde Gesellschaft mit unbekannten Sitten, haben aber dennoch eine Schreibkultur auf höchstem Niveau entwickelt, die uns Europäern diese unerklärliche mysteriöse Welt sprachlich gewandt beizubringen weiß. Deshalb habe ich mich mutig auf den mir bisher völlig unbekannten Autor eingelassen und war auch diesmal sehr begeistert. Der Roman ist sehr kurz, extrem spannend, richtet den Fokus der Geschichte ausschließlich auf ein bestimmtes Objekt einer Obsession – einen Revolver – und beschreibt die Beziehung des Protagonisten zu ebendiesem Ding. Das Leben des Studenten Nishikawa ähnelt der langweiligen Existenz einer grauen Maus und wird plötzlich bereichert, als die Hauptfigur eines Nachts in den Händen eines vermutlichen Selbstmörders einen Revolver findet, den er vom Tatort mitnimmt. Plötzlich fühlt sich der Student als kleiner Gangster, als tiefgründiger Mensch mit einem kriminellen Geheimnis, das seinem bisher faden Charakter Unvorhersehbarkeit, Gefährlichkeit und Tiefe vermittelt. Nach und nach werden dieses Ereignis und die Leidenschaft, die er zum Objekt seiner Sehnsucht und Begierde entwickelt, krankhaft zu einer objektophilen Zwangsstörung. Nikishawas restliches Leben existiert zwar noch, tritt jedoch neben der Beschäftigung mit der Waffe total in den Hintergrund, fast wie bei einem musikalischen fade out. Irgendwann erinnerte mich diese Geschichte in ihrer Zwanghaftigkeit frappant an Patrick Süßkinds Die Taube: die gleiche Länge des Textes und irgendwie die gleiche Obsession, statt Viecherl eben Knarre. Das Ding übernimmt ganz allmählich, schrittweise die Macht über den Menschen. Der Revolver, der ausschließlich dazu gefertigt wurde, um abgefeuert zu werden und damit vielleicht auch jemandem das Leben zu nehmen, fordert seinen Tribut und wirft die bisherige gleichförmige Existenz des Studenten völlig aus den Fugen. Der Protagonist hat sich zumindest in seinem Geiste vom unschlüssigen, schüchternen, gesellschaftlich in strengen Regeln verhafteten, entscheidungsschwachen, verlorenen, zweifelnden japanischen Mann, den ja auch Murakami immer so treffend zu beschreiben weiß, in einen gefährlichen Macher mit Tiefgang und bedrohlichen, ernstzunehmenden Absichten entwickelt. "Der Revolver war wie ein unbezähmbares, eigenwilliges Wesen. Und ich ahnte, dass ich diesem mächtigen fordernden Wesen nicht mehr lange würde standhalten können und es nur durch den erlösenden Schuss bändigen konnte. Der Gedanke ließ mich schaudern. […] Ich erinnerte mich an mein Glücksgefühl, als ich den Revolver entdeckt hatte. Dennoch hatte ich versucht, einen kühlen Kopf zu bewahren, hatte versucht, mich von meiner Erregung nicht überwältigen zu lassen. […] Am liebsten hätte ich die Zeit zurückgedreht, als der Revolver und ich noch gleichberechtigte Partner gewesen waren. Doch das war nicht mehr möglich. Der Revolver war ein Teil von mir geworden, hatte mein ganzes Denken und Handeln durchdrungen. Zu schießen war die eigentliche Bestimmung eines Revolvers, und so war es auch nur logisch, dass auch ich das wollte." Ein potenzielles Opfer, ein Tatort und ein Tatplan, mit dem man eventuell vor der Polizei davonkommen kann, werden systematisch entwickelt. Am Ende im Rahmen der realen Umsetzung der lange geschmiedeten Pläne dreht sich der Plot noch drei Mal um 180 Grad, eine sensationelle Dramaturgie, die den Spannungsbogen dieser wirklich kurzen Geschichte so rasant konzipiert, dass ich fast nicht mehr zum Atemholen kam. Und die Moral von der Geschicht: Spiele mit der Knarre nicht. Fazit: Kurz, knackig, tiefgründig, spannend, rasant, sprachlich sehr ansprechend und sensationell. Absolute Leseempfehlung, das Buch kann in einem Haps verschlungen werden.

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