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Beruf(ung) oder Liebe? Hamburg 1892: Marthas Familie lebt im Gängeviertel, bei der Choleraepidemie sterben ihre Mutter und ihre kleine Schwester. Daraufhin flüchtet sich ihr Vater in den Alkohol. Martha bleibt nichts anderes übrig, als mit 14 die Schule zu verlassen und sich eine Arbeit zu suchen. Sie wird Krankenwärterin im Allgemeinen Krankenhaus St. Georg. Schnell stellt sie fest, dass sie sich für Medizin wirklich interessiert - das fällt auch ihren Vorgesetzten und den Ärzten auf. Man verhilft ihr zu einer Lehrstelle bei den Erikaschwestern im Eppendorfer Krankenhaus, wo sie bald eine Karriere als OP-Schwester macht. Sie kommt über eine Kollegin mit Frauenrechtlerinnen und Sozialisten in Kontakt und lernt den Gewerkschaftler Paul kennen. Die beiden verlieben sich, aber eine Erikaschwester muss unverheiratet (oder verwitwet) sein. Martha liebt ihr Leben im Krankenhaus und die Arbeit als OP-Schwester. Sie hat Bedenken, ihren Beruf und ihre Unabhängigkeit für eine Ehe aufzugeben und sich einem Mann unterzuordnen … Melanie Metzenthin schreibt über eine sehr bewegte Zeit voller politischer und gesellschaftlicher Umbrüche und deckt die damaligen Missstände auf. Marthas Herkunft macht eine Berufsausbildung fast unmöglich. Viele Frauen ihrer Schicht werden Prostituierte, genau wie ihre beste Freundin Milli. Diese wird vom eigenen Vater an die Freier verkauft. Nur wegen ihrer Fürsprecher kann Martha eine „richtige“ Krankenschwester mit einer ordentlichen Entlohnung werden, während ihr Vater immer weiter abrutscht und ihr 12jähriger Bruder neben der Schule Botengänge und Heimarbeit verrichtet, um zum Unterhakt der Familie beizutragen. Die Hafenarbeiter werden ausgebeutet und mies bezahlt. Obwohl sich die Lebenshaltungskosten in den letzten Jahren verdoppelt haben, sind die Löhne unverändert geblieben. Die Männer arbeiten oft 72 Stunden am Stück, viele verunglücken völlig übermüdet, trotzdem reicht ihr Lohn nicht für den Lebensunterhalt. Martha kennt all dies aus eigener Erfahrung und engagiert sich darum in der Arbeiterbewegung, doch ihr ist immer besonders wichtig, auch auf die Situation der Frauen hinzuweisen und sich für deren Rechte und Gleichberechtigung einzusetzen. Die Autorin schreibt sehr anschaulich und mitreißend, allerdings stand für mich die Politik (Versammlungen, Reden etc.) etwas zu oft im Vordergrund und hat meinen Lesefluss gebremst. Martha ist eine starke Persönlichkeit, die ihren Weg geht und kein Blatt für vor den Mund nimmt. Sie scheut sich nicht, ihre Meinung zu vertreten, auch wenn sie dadurch Freundinnen verliert und ihre Arbeit aufs Spiel setzt. Interessant waren auch die Behandlungs- und Operationsmethoden zu dieser Zeit. Mein Fazit: Interessanter Auftakt der Reihe um die Hafenschwester Martha – ich bin gespannt, wie es weitergeht.