Profilbild von buechertraeume

buechertraeume

Posted on 9.2.2020

Melancholisch, traurig und einfach schön. Mit Wenn alle Katzen von der Welt verschwänden hat Genki Kawamura einen Roman erschaffen, der zum Nachdenken über das Leben, den Tod und die wirklich wichtigen Dinge anregt. First things first: Schon das Cover ist für mich ein absoluter Hingucker! Mir gefallen die Farben und die Gestaltung, auch wenn ich bei diesem Titel und auch nach dem Lesen der Story etwas anderes erwartet hätte. Die Geschichte über den jungen Briefträger und die zwei Katzen, die sein Leben geprägt haben, die Krankheit seiner Mutter und das zerüttete Verhältnis zum Vater hat mich zum Lachen gebracht und zu Tränen gerührt. Vor allem Letzteres schaffen nicht viele Bücher. Ich habe mich oft gefragt, was ich wohl tun würde. Was würde ich alles verschwinden lassen? Würde ich zulassen, dass der Teufel alle Katzen ausradiert, nur damit ich einen Tag länger leben kann? Wie wäre eine Welt ohne sie? Oder ohne mich? Genau das ist es, was dieses Buch für mich so wunderbar macht. Man kommt nicht umhin über sein eigenes Leben nachzudenken und sich mehr auf die kleinen Glücksmomente zu konzentrieren. Getragen wird die Geschichte auch von Kawamuras Schreibstil. Der Japaner wechselt immer im richtigen Moment von lockerer zu ernster Stimmung und versteht es den Leser teilhaben zu lassen. Man erkennt sich in dem jungen Briefträger wieder. Er ist unzufrieden, denn statt seine Träume auszuleben, tut er was vernünftig ist.Trotz vieler trauriger Momente gelingt es Kawamura immer wieder Humor in die Geschichte zu bringen. Die Katzen zum Beispiel heißen Eissalat und Weißkohl und der Teufel trägt ein buntes Hawaii-Hemd. Außerdem hat mir die Aufteilung des Buches sehr gut gefallen: Jeder Tag bekommt ein einzelnes Kapitel. Das gibt dem Buch Struktur und man zählt mit, fiebert mit, um jeden einzelnen Tag, der dem Briefträger noch bleibt. Und bei jedem Ding, das verschwindet, fragt man sich wieder: Wie würde mein Leben ohne Telefone, Filme, Handys oder Katzen aussehen? Das Buch ist mit 180 Seiten recht kurz, allerdings finde ich das angemessen. Wenn der Tod naht und jede Sekunde kostbar wird, bleibt keine Zeit für einen Roman mit Anna Karenina-Ausmaßen. Was mich ein kleines bisschen stört, ist das offene Ende, aber das ist ein subjektiver Eindruck, denn ich bevorzuge abgeschlossene Geschichten. Deswegen muss ich zugeben, dass es an dieser Stelle passt. So sehr es mich auch interessiert, ob es Weißkohl (dem Kater des Briefträgers) gut geht oder ob der Protagonist sein letztes Ziel erreicht hat, ein offenes Ende steht diesem Buch besser als eine Geschichte, die zu Ende erzählt ist. Denn wenn der Tod so plötzlich vor der Tür steht wie bei Kawamuras Briefträger, dann ist die Geschichte eines Menschen in der Regel auch noch nicht zu Ende erzählt.

zurück nach oben