morningside
Es war für mich wieder einmal das pure Vergnügen, einen weiteren herrlich verschrobenen Tier-Krimi zu lesen von Leonie Swann. Sie beschreitet trittsicher den schmalen Grat zwischen Komödie und Spannung, ohne dabei ins lächerlich comedyhafte abzurutschen. Der Einband ist von der Gestaltung her sehr an Swanns Schafskrimis angelehnt. Sehr witzig das Papageien-Daumenkino! Doch zunächst zum Inhalt, von dem ich jedoch nicht zu viel verraten möchte: Elliot, ein Student der ehrenwerten Cambridge Universität, stürzt bei einer nächtlichen Klettertour auf der Kathedrale zu Tode. Was zunächst wie ein Unfall aussieht erregt bald das Misstrauen seines Tutors Dr. Augustus Huff. Nur ein Zufall beschert ihm Graupapagei Gray, der ihn quasi adoptiert als er in Elliots Zimmer nach dem Rechten sehen will. Fortan ist er kaum ohne diesen Papagei anzutreffen, der seine Schulter als sicheren Platz auserkoren hat - was diesem mehr Aufmerksamkeit einbringt als ihm oft lieb ist. Gray ist sehr sprachbegabt und auch sonst hat er so einiges auf dem Kasten, denn sein Halter hielt ihn offiziell für wissenschaftliche Studien, die sich mit der Intelligenz der Vögel beschäftigten. Durch seine Plappereien bringt er Huff auf so manche Idee und letztlich natürlich auch der Lösung des Falls näher, indem sich Stück für Stück das Puzzle zu einem Ganzen zusammenfügt. Im Gegensatz zu den beiden Schafskrimis übernimmt Gray hier keinerlei Ermittlerrolle, auch wenn bei der Buchbeschreibung leider dieser Eindruck völlig überflüssigerweise erweckt wird. Der Papagei ist ein Papagei und mehr nicht! Zugegeben ein sehr intelligentes Exemplar, aber keinesfalls ein Tier mit Detektiv-Charakter. Letztlich übernimmt Huff alleine die Detektivarbeit, wobei er sich immer mehr auf Grays Plapperei einlässt und sie in sein Puzzle einfügt. Der Protagonist Augustus Huff hat mich total erobert - zusammen mit diesem herrlichen Gray ergibt sich ein Bild vor meinen Augen, dass mich schon ohne jede weitere Kriminalstory zerfließen lässt. Huff ist wahrscheinlich latenter Asperger - gut... das wird momentan ein wenig zu oft bemüht, denn inzwischen findet man in unglaublich vielen Büchern oder auch Serien Autisten aller Ausprägungen. Huff ist jedoch nur im Ansatz "auffällig" und weist zum Glück nicht die sonst immer vorhandenen "Superfähigkeiten" auf. Es beschränkt sich bei ihm auf Waschzwang, Ordnungszwang und andere Kleinigkeiten (immer mit linkem Fuß losgehen, 3mal kontrollieren, ob alles abgesperrt ist, 3mal auf den Türrahmen klopfen ehe er das eigene Zimmer betritt etc.), die mich sehr an Monk erinnerten. Davon abgesehen ist Huff einfach ein unglaublich sympathischer Mensch mit kleinen Macken. Und dieser Mensch lernt dank des respektlosen und absolut unordentlichen Gray, sich immer mehr zu trauen und er entwickelt sich gehörig weiter im Laufe der Story. Die Kriminalgeschichte ist natürlich weit von Thriller entfernt, was aber wohl auch niemand erwarten wird. Es ist mehr eine Kriminalstory in Richtung Lewis - ruhig dahinfließend und trotzdem den Grips anregend, denn es ergeben sich im Laufe der Story zahlreiche Verirrungen und Wendungen und das Ende ist fast überraschend. Die etwas aktionsreicheren Stellen sind mit zarten Anmutungen von Situationskomik gespickt - nichts um laut los zu lachen, aber für ein amüsiertes Lächeln reichte es immer wieder. Der Schreibstil ist gewohnt frisch und unkompliziert - durchaus für Jugendliche geeignet, was für mich kein Manko darstellt. Hervorragend ist Swann gelungen darzustellen, wie Huffs Leben durch diesen kleinen grauen Chaoten auf den Kopf gestellt wird. Alles gerät in Unordnung und nirgends ist mehr die für ihn erforderliche Sauberkeit zu finden. Für Huff ist das eine extreme Herausforderung, der er sich erst widerwillig, dann jedoch immer bereitwilliger stellt. Schon bald bemerkt er, wie sehr er an dem kleinen Anarchisten hängt, wie viel ihm dessen Zuneigung und Vertrauen bedeuten. Erstaunlich fand ich, wie klar Huff dennoch immer wieder analysierte, dass Gray lediglich ein Vogel ist und wie ein Vogel handelt. Er konnte dadurch immer angemessen auf ihn reagieren, was sie letztlich zu einem richtig guten Team werden ließ. Fazit: Eine wunderbare Idee, einen Papagei in einen Krimi als Protagonisten einzubinden und sie wurde hervorragend umgesetzt. Mir war das Buch keine Sekunde langweilig und ich hoffe sehr, dass Leonie Swann sich zu diesem traumhaften Paar noch eine Fortsetzung einfallen lässt. Vielleicht könnte ja mal ein Professor dran glauben ;-)