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Perspektivlosigkeit und Folgen Lukas Rietzschel trägt uns in seinem Roman "Mit der Faust in die Welt schlagen" nach Sachsen, genauer gesagt nach Neschwitz, ein kleiner Ort bei Bautzen und Hoyerswerda. Wir sind bei der Familie Zschornack; der Vater ist Elektriker und die Mutter ist Krankenschwester und beide haben zwei Söhne, einmal Philipp (91 geb) und der zweite ist Tobias (95 geb). Die Handlung ist gegliedert in drei Handlungsstränge/Bücher; Buch 1 2000-2004, Buch 2 2004-2006 und Buch 3 2013-2015. Die Familie baut am Anfang ein Haus, es geht vorwärts, so denkt man, aber so ist es nicht. Die Familienstruktur bröckelt, soweit überhaupt vorhanden. Gleichzeitig kommt man auch mit vielen rassistischen und engstirnigen Vorurteilen in Kontakt, teils auch schon sehr deutliche Grenzüberschreitungen; die leider grassieren in Kreisen, die als perspektivlos und auch bildungsfern gelten, trotzdem fragt man sich woher solches Gedankengut herrührt in unserer Welt, in der ein jeder abgesichert ist. Es gibt ja auch andere Gegenden der Erde, wo das nicht so ist. Und man bekommt Bauchschmerzen. Und man sieht die Söhne, wie sie damit umgehen und wie sie abdriften, in ein rechtsnationales Umfeld. Der Autor schafft es trotz einer recht emotionslos geschilderten Geschichte und ohne komplex gestaltete Charaktere, doch recht viel zu transportieren. Und die Geschichte greift nach dem Leser und lässt auch so schnell nicht los. Man ist in einem Sog, dem man sich nur schwer entziehen kann. Und der Autor erzählt nur, er wertet nicht. Das wird dem Leser überlassen. Der geneigte Leser wird einige Ursachen erkennen können, die in Sachsen zu dem Problem führen, dass wir leider haben. Trotzdem fehlen für mich noch einige Blicke in die DDR hinein. Es hätte dem Roman sicher noch gutgetan, zu erklären, dass der Kontakt von Ausländern und der Bevölkerung der DDR einem strengen Reglement unterzogen wurde. Es gab ja größere Gruppen in der DDR; z. B. Kubaner, Angolaner, Mosambikaner und Vietnamesen. Gegenseitige Kontaktaufnahmen waren aber nicht besonders erwünscht und wurden argwöhnisch beobachtet. Vielleicht rührt auch daher ein großes Ressentiment gegen Ausländer in der DDR. Denn so weltoffen wie sich die DDR gab, war sie leider nicht. Gleichzeitig ist dieses Problem ein gesamtdeutsches. Rechtsnationale Kreise und Unzufriedenheit mit dem herrschenden System und der Demokratie gibt es in ganz Deutschland, leider auch basierend auf zurückliegenden Perioden. Wenn es aber in dem Roman heißt: "Es braucht mal wieder einen richtigen Krieg.". Dann weiß man zwar es ist ein Roman. Aber man weiß auch, dass solch ein Denken leider auch in der realen Welt existiert. Und das macht Angst, und gleichzeitig auch ungeheuer wütend. Ich wünsche diesem Buch eine sehr große Leserschaft und möglichst viel Raum zum Reden. Denn nur Konversation kann hier meiner Meinung noch helfen.