Kitty Catina
Wie auch schon im Märchenerzähler konnte mich Antonia Michaelis auch mit diesem Buch wieder packen. Gerade die dichte Atmosphäre hat mir erneut sehr gut gefallen, dazu der überaus poetische und ausladende Schreibstil, der perfekt zum märchenhaften Plot passte, wenn es auch nichts für jedermann ist. Die Autorin hat es so wieder einmal geschafft, mich absolut in den Bann ihrer Geschichte zu ziehen und die Seiten flogen nur so vor sich hin, denn ich muss sagen, dass man trotz dem eher langatmigen Stil schnell mit dem Lesen voran kommt. "Noch ein Kapitel", war so ganz oft mein Gedanke. Trotzdem hat dieses Buch auch negative Seiten, die mich sehr gestört haben. Einerseits haben wir hier eine sehr surreal anmutende Geschichte, die mich manchmal absolut verwirrt hat. Was ich auf der einen Seite, solange es märchenhaft bliebt, gar nicht mal so schlecht fand, jedoch teilweise sehr überdreht war. Und so mache Wendung fand ich durchaus unpassend. Obwohl ich mir anfangs ziemlich sicher war, in welche Richtung sich alles wohl entwickeln, wurde ich am Ende doch auf einen Irrweg geführt und das hat mir in diesem Fall überhaupt nicht gefallen. Hätte die Autorin die Geschichte jedoch nur ein paar Seiten früher enden lassen, wäre ich dagegen sehr zufrieden gewesen. Auch mit den Charakteren konnte ich größtenteils nichts anfangen. Jari ist mir bis zum Ende so gar nicht näher gekommen. Seine leichtsinnige und naive Art hat mich eher genervt und es wurde von Seite zu Seite immer schlimmer. Spätestens als ihn jegliches Gewissen verließ, verließ mich auch der Glaube an diese Person. Auch, dass sein scheinbar einziger Antrieb die Hoffnung auf Sex mit dem überaus hübschen Mädchen war, fand ich doch sehr bedenklich. Und auch Jascha fand ich eher gewöhnungsbedürftig, ganz abgesehen von ihrer Bedeutung für die Handlung. Bis zum Schluss konnte ich sie weder greifen, noch in mein Herz schließen. Den einzigen, den ich wirklich mochte, war Jaris Freund Matti, ein gewöhnlicher Teenager, der jedoch ein Freund ist, wie man ihn sich nur wünschen könnte. Allerdings fand ich die Idee hinter dem Buch sehr gut und außergewöhnlich, wie ein modernes Märchen, dass sich irgendwo zwischen Hänsel und Gretel, Rotkäppchen und einem schaurigen Horror-Thriller hin und her bewegt. Und zwischendrin spielt Frau Michaelis wieder einmal mit einem tiefsinnigen moralischen Gedanken. Wie weit kann und sollte man gehen, um andere zu schützen? Ich hätte diesem Buch sehr gern die volle Punktzahl gegeben, oder wenigstens 4 Sterne, doch im Ganzen war es dann doch nur Durchschnitt, nicht wirklich gut und auch nicht schlecht. Wäre der tolle Schreibstil und die Spannung nicht gewesen, die mich gepackt hat, hätte es allerdings kritisch werden können. Wer hingegen surreale Märchen-Horror-Thriller mag und mindestens 16 Jahre alt ist, denn es geht doch schon teilweise sehr brutal zu, sollte sich an dieser Geschichte auf jeden Fall zumindest probieren.