renee
Ich glaube, ich war am Ertrinken. Ein wirklich interessantes Buch! Ein biographisches Buch. Ein berührendes Buch. Und ebenso ein manchmal erschreckendes Buch. Die Hauptfiguren sind drei vietnamesische Personen, die Großmutter Lan, die Mutter Rose und der Sohn, die Erzählstimme, alle drei sind aus Vietnam in die USA emigriert. Die Emigration und daraus resultierende Probleme sind hier aber nicht das Hauptthema. Das Hauptthema ist das Menschsein und die damit einhergehende Unvollkommenheit, wie die Protagonisten mit ihrer Unvollkommenheit und der, der anderen Mitmenschen leben und umgehen. Die Großmutter Lan, die der Krieg und die folgenden Ereignisse in Vietnam krank gemacht haben, die Mutter Rose, die durch das Erleben um ihre Mutter und ebenso durch das Erleben Vietnams und der Gewalt in diesem Land und ebenso das Erleben einer neuen Welt, der sie ausgeliefert scheint, auch weil sie zu keiner/wenig Kommunikation durch mangelnde Sprachkenntnisse fähig ist, eine Veränderung erfährt, der Sohn, der seine Verwandten erlebt, um seine Herkunft weiß und sich einen Platz im neuen Land sucht und schließlich die Liebe findet, eine homoerotische Liebe, eine besonders für Vietnamesen stigmatisierte Liebe. Ein Buch der leisen Töne, aber manchmal auch mit einer wortgewaltigen Kraft, die den Leser schier umhaut. Chronologisch nicht geordnet, springen die Gedankengänge des Sohnes hin und her, er schreibt einen Brief an seine englisch nicht beherrschende Mutter und schildert seine Gedanken zu Familie, Leben und Liebe, Gedanken, die er ihr verbal schlecht mitteilen kann und nach und nach, in verschiedenen Fetzen, entsteht die Lebensgeschichte der drei tragenden Personen. Und damit auch die Lebensgeschichte Ocean Vuongs, den Autobiographisches trägt dieses Buch ungemein und ich finde auch die Namensgebung des Autors sehr aussagekräftig. Für diese Geschichte gebührt dem Autor und seiner Familie tosender Beifall. Dieses teilweise sehr unzusammenhängende hat mir das Lesen etwas schwer gemacht, aber die lyrische Kraft in den Worten von Ocean Vuong, die immer wieder durchschimmert und auflodert, entschädigt ungemein und spricht von einem äußerst interessanten Autor. Bisher hat der Autor nur Poesie herausgebracht, "Auf Erden sind wir kurz grandios" ist sein erster Roman. Ein interessantes Werk! Wenn er es in meinen Augen in der Zukunft schafft, seine Geschichte etwas mehr zu bündeln, mehr einen Erzählfluss zu erschaffen, wird er noch ein ganz Großer werden. Aber auch jetzt ist dieses Buch ein sehr lesenswertes. Und auch hier kann ich nur sagen: Lesen!, aber durch die sehr fragmentarische Schreibweise polarisiert dieses Buch seine Leser und diesen Sachverhalt sollte der geneigte Leser sich vor Augen führen.