marcello
Judith Winter konnte mich mit ihren ersten drei Bänden rund um Em Capelli und Mai Zhou wirklich sehr begeistern, da neben Frauenpower auch wirklich gut durchdachte und düstere Mordserien geboten wurden. Auf „Finsterwald“ mussten wir Fans nun verhältnismäßig lange warten, aber nun war es endlich so weit! Hat sich die kreative Pause von Winter gelohnt? Ich war wirklich schnell wieder in der Welt der Frankfurter Polizeibehörde drin, was mir gezeigt hat, wie sehr ich mich dort wirklich mit den vorangegangen drei Bänden wohlgefühlt habe. Diesmal ist die Ausgangslage nur insofern etwas anders, da Zhou und Em nun wirklich zusammengewachsen sind und als Team agieren, da es nicht mehr um Konkurrenzdenken und Eifersüchteleien geht. Dadurch ergibt sich eine Ausgangslage, die dem Band durchaus einen anderen Ton gibt, aber er gefällt mir, denn es spricht für Entwicklung. Zudem war es auch wirklich nett zu sehen, dass ihre Beziehung inzwischen von Verständnis, Vertrauen und lieb gemeinten Scherzen geprägt ist. Der Kriminalfall selbst war durchaus mit viel Potenzial erzählt, aber ich habe doch relativ schnell gemerkt, dass mich dort kaum etwas packen kann und das liegt weniger an dem, WAS erzählt wird, sondern mehr an dem, WIE es erzählt wird. Ich habe weder bei den Ermittlungen noch bei den Perspektivwechseln zwischen Em und Zhou einen richtigen roten Faden gesehen. Vieles wirkte zufällig, manchmal schienen Beweise aus dem Nichts zu kommen, so dass ich die Herangehensweise als sehr schlampig empfunden habe. Sehr, sehr schwergetan habe ich mich auch mit Em in diesem Band. Sie war immer schon laut und frech, aber dennoch stets eine hervorragende Ermittlerin. Natürlich ist sie das auch immer noch, aber diesmal war – sicherlich auch durch private Entwicklungen bedingt – arrogant, aggressiv und absolut rücksichtslos. Wie sie teilweise mit Kollegen, potenziellen Opfern und Zivilisten umgegangen ist, das war kaum zu ertragen. Zumal man dann auch genug Momente hat, wo man doch merkt, dass sie das Herz auf dem richtigen Fleck hat und für nachvollziehbare Werte eintritt. Aber diesmal war sie einfach unerträglich. Insgesamt muss man auch sagen, dass diesmal das Privatleben sehr ungeschickt eingebunden wurde. Ems Familiendrama war insgesamt sehr präsent, aber dennoch wirkte die Geschichte in sich nicht abgeschlossen, als wollte man dieses Drama noch künstlich auf weitere Bände verlängern. Das finde ich gerade bei Krimireihen immer sehr problematisch. Auch bei Zhou, die in der Gesamtsumme ohnehin viel zu kurz kommt, wird mit ihrer neuen Liebschaft viel angedeutet, aber auch nichts entscheidend vorangebracht. Auch hier habe ich die Intentionen der Autorin nicht vollends verstanden… Abschließend komme ich noch einmal auf den Fall zurück, der durchaus mit einem überraschenden Täter und einem spannenden Ende aufwartet. Aber auch dort hat sich wieder gezeigt, dass zu viel aufgefahren wurde, dass es logische Löcher gab, dass einiges herausgezögert wurde, während anderes überhastet erzählt wurde. Der Epilog wiederum war auf den Punkt, das war noch so ein Puzzleteil, das ich unbedingt haben musste. Grundsätzlich hat Winter also das Gespür, was sein muss, aber das spielt sie wirklich viel zu wenig aus. Fazit: „Finsterwald“ ist in meinen Augen definitiv der schwächste Band aus der Feder von Judith Winter, da vor allem der Kriminalfall erzählerisch sehr lückenhaft und schwach erzählt war. Hinzu kommt noch eine Em, die wirklich kaum zu ertragen war mit ihrer Art und schon ergab sich bei mir der Wunsch, dass dieses Buch doch schnell beendet sein möge. Das bricht mir durchaus das Herz, da so vieles eben auch so gut ist. Ich hoffe, Winter sammelt sich für einen fünften Band wieder!