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seehase1977

Posted on 6.2.2020

Amerikas Waffenleidenschaft – ein dramatischer und gesellschaftskritischer Roman Als Pearl und ihre Mutter in den Ford Mercury ziehen ist ihre Mutter 17 und Pearl gerade erst geboren. Das Auto steht seit mittlerweile 14 Jahren auf dem Parkplatz am Rande eines Trailerparks irgendwo in Florida. Die Welt um sie herum frönt ihrer Waffenbegeisterung. Waffenbesitz ist so selbstverständlich wie Essen und Trinken, Schießübungen sind an der Tagesordnung und Pistolen und Gewehre beliebter als Haustiere. Doch Pearl und ihre Mutter leben in ihrem Ford Mercury in ihrer eigenen kleinen Traumwelt, bis ein Mann namens Eli im Trailerpark auftaucht und alles verändert… Meine Meinung: Das außergewöhnliche Cover von „Gun Love“ hat mein Interesse geweckt, der interessant klingende Klappentext hat das Übrige dazu getan. Jennifer Clement hat einen außergewöhnlichen Roman geschrieben, der einen kritischen Blick auf die Gesellschaft und die zweifelhafte Liebe der Amerikaner auf ihre Waffen wirft. Clement ist Präsidentin des P.E.N. und kämpft international im Namen von Autoren überall auf der Welt auf das Recht auf freie Meinungsäußerung. „Ich wuchs in einem Auto auf, und wenn man im Auto lebt,hat man keine Angst vor Blitz und Donner, das Einzige, wovor man Angst hat, ist der Abschleppwagen.“ Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht des Mädchens Pearl. Obwohl ihr zu Hause ein Auto ist und sie ein richtiges Dach über dem Kopf nie kennen gelernt hat, führen sie und ihre Mutter Margot ein normales und irgendwie auch glückliches Leben, denn zwischen den beiden liegt ein ganz besonderer Zauber inmitten des Wahnsinns um sie herum. Waffen bestimmen den Alltag der Menschen im Trailerpark, in dem vom Kriegsversehrten bis hin zum korrupten Priester alle Menschentypen vertreten sind. Als ein Waffenschmuggler namens Eli auftaucht, wird alles anders. Der Mann verdreht Mutter Margot den Kopf und Pistolen und Gewehre sind in Pearls überschaubarem Umfeld plötzlich präsenter denn je. Bis es zu einer Katastrophe kommt, die Pearls sowieso schon schwieriges Leben von einem Tag auf den anderen verändert. Es ist harte Kost, die Jennifer Clement ihren Lesern hier auf dem Silbertablett serviert! Eine Story in der Hass, Liebe, Fantasie und Wirklichkeit miteinander verschmelzen und die die Autorin in eindringlichen Bildern und wunderschönen, fast poetisch anmutenden Sätzen eingebettet hat. Es wird ein wahrheitsgetreues Bild von einem Teil der heutigen amerikanischen Gesellschaft reflektiert, das aufwühlt und betroffen macht. Pearl ist ein Charakter den ich sofort ins Herz geschlossen habe. Ein starkes, aufgewecktes Mädchen und in ihrer Art unheimlich authentisch. Ihre Mutter Margot hingegen ist eine Frau, die sich oft in Träumen verliert und Pearl immer wieder mit ihren fantasievollen Illusionen verzaubert. „Manchmal würde ich mir wünschen, nochmal ganz von vorne anzufangen. Ich will mich wieder in meine Zukunft verlieben. Meine Mutter hat immer jede Menge solcher Geburtstagskerzen-Wünsche“. Das Ende der Geschichte bleibt offen und hinterlässt viele ungeklärte Fragen, lässt dem Leser somit aber Raum für eigene Gedanken und Schlussfolgerungen. Mein Fazit: „Gun Love“ zeichnet eine unromantische Skizze der amerikanischen Unterschicht. Waffen, Gewalt, Armut und Arbeitslosigkeit. Dazwischen strahlt aus der Trostlosigkeit die junge Pearl, der man nur das Beste wünscht. Jennifer Clement schreibt eindringlich, kraftvoll und bildhaft und bringt so ein Stück trauriges Amerika in die Wohnzimmer ihrer Leser. Ein absolut lesenswertes Buch!

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