seehase1977
Gefangen in der eigenen Seele – beklemmender und düsterer Triller 4,5 Sterne Ronja und Jannik wurden vor vielen Jahren als Kinder von ihrem „Paps“ entführt. Seitdem leben Sie, zusammen mit noch drei anderen Entführungsopfern in einem Haus tief im Wald. Ohne Perspektive, ohne Zukunft. Eines Tages jedoch rückt die Freiheit in erreichbare Nähe. Doch frei sein bedeutet zu Handeln und Entscheidungen zu treffen und genau damit sind Ronja und Jannik hoffnungslos überfordert. Das Leben im Wald nimmt plötzlich eine andere, nicht minder beängstigende Wendung… Meine Meinung: Meine Erwartungen an Bücher aus meinem Lieblingsgenre sind mittlerweile recht hoch, Plot und Autor haben es nicht immer leicht, diesen Anforderungen gerecht zu werden. Die in Wien lebende Autorin Michaela Kastel hat mich mit ihrem düsteren und psychologischen Thriller „So dunkel der Wald“ überzeugt, wenn auch nicht zu 100 Prozent. Kastel wurde für ihr Buch mit dem Viktor Crime Award 2018 ausgezeichnet und auch die Filmrechte wurden bereits vorgemerkt. „ Wir nennen es Sonnentor – das dunkle Loch mitten im Felsen, in das er uns wirft, wenn wir nicht artig waren“. Ein Haus tief im Wald, ein Vater - „Paps“ - drei mehr oder weniger junge Erwachsene, zwei Kinder. Eine Aussteiger-Familie? Ronja und Jannik haben schon fast vergessen, dass Paps nicht ihr Vater, die anderen nicht ihre Geschwister sind. Sie alle sind Missbrauchsopfer, und „Paps“ ist ihr Entführer und Peiniger. Vor ihnen gab es schon unzählige andere, mittlerweile verschwunden, verscharrt irgendwo im Wald. Dann kommt sie, die Möglichkeit zur Flucht, alles kann plötzlich gut werden und doch kommt alles ganz anders. Der Thriller fesselt von Anfang an, auch wenn sich die Puzzlestücke erst nach und nach zusammensetzen. Die Erkenntnis die man bekommt, wenn man die Zusammenhänge versteht ist erschreckend, die Geschehnisse die darauf folgen sind jedoch leider vorhersehbar. Michaela Kastel erzählt das düstere Szenario tief im Wald beklemmend und sehr atmosphärisch. Die lähmende Angst der Kinder ist zum Greifen nah, verständlich ihr bedingungsloser Gehorsam, naheliegend ist auch, dass nach Jahren von Folter und Gefangenschaft die Psyche der Menschen anders funktioniert und Handlungen und Entscheidungen objektiv anders zu betrachten sind. Etwas zu wenig Aufmerksamkeit bekommen meines Erachtens die Ermittlungen rund um die Vermisstenfälle. Hier hätte ich mir mehr Details und Hintergründe gewünscht. Die Kriminalbeamtin Sarah Wiesinger war sympathisch, bleibt aber leider eine blasse Randfigur. Die Charaktere von Ronja und Jannik jedoch waren tiefgründig gezeichnet und sehr interessant. Mein Fazit: Der Thriller „So dunkel der Wald“ ist spannend und düster wenn auch in Teilen vorhersehbar. Michaela Kastel versteht es gekonnt, mit der Psyche und den Ängsten ihrer Protagonisten zu spielen und schafft somit eine beklemmende Atmosphäre. Ein bis auf kleine Schwächen absolut gelungener und beeindruckender Thriller. Ich bin sehr gespannt, ob man sich tatsächlich auf die Verfilmung des Plots freuen darf.