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Ladybug

Posted on 6.2.2020

Fünf Tage Rüdiger ist Lehrer, Tom Schriftsteller. Beide sind sie Loser und stecken Oberkante Unterlippe in Depressionen. Beide sind an einem Punkt, an dem sie nur noch einen Ausweg sehen: raus aus dem Leben und zwar über den Weg des Sprungs von der Brücke. Diese Idee haben sie ironischerweise tatsächlich zum selben Zeitpunkt. So lernen sie sich kennen und beschließen, sie geben dem Leben noch fünf Tage die Chance, ihnen einen Grund zu geben, es nicht verlieren zu wollen. Ein heikles Thema, wunderbar skurril, aber ebenso liebevoll umgesetzt, das schafft so nur Sven Stricker. Depressionen haben viele Erscheinungsbilder und können mehr oder weniger tief gehen. Tom und Rüdiger sind zwei „kleine“ Beispiele, teils natürlich humorvoll und ein wenig bissig überzeichnet, aber gerade das finde ich so gut. Man erkennt als Leser viele auf den ersten Blick abwegige Situationen wieder, erkennt sich oder Bekannte und kommt so immer wieder ins Grübeln, trotz allem Lachens. Da ich Sven Stricker schon vor einiger Zeit für mich als besonderen, sehr auf meiner Wellenlänge liegenden Autor entdeckt habe, freute ich mich von der ersten Zeile an auf seinen besonderen Humor. Doch der Einstieg war, das muss ich zugeben, etwas holprig. Vieles war sehr düster und zog runter, doch ist das beim Thema Depression auch kaum verwunderlich. Dennoch möchte ich interessierte Leser darauf hinweisen – und gleich versichern, dass das Buch sehr viel Schwung aufnimmt und dann den Leser kaum noch loslässt. Man sympathisiert mit den Figuren sehr schnell. Alle haben ihre Probleme, alle tragen ihr Päckchen und so ergibt sich nach und nach eine Gemeinschaft, die zunächst nach Zweckverbindung aussieht, aber doch so viel mehr ist. Einige Szenen sind dermaßen skurril, dass man es kaum fassen kann. Aber irgendwie machen sie – vielleicht auch gerade deshalb – unfassbar viel Sinn. Dazu kommen unzählige kleine Beobachtungen, die man tagtäglich selbst macht, aber ganz selten in Worte fasst. Immer wieder muss man Sven Stricker beipflichten bei seinen wunderbaren Darstellungen des ganz gewöhnlichen Lebens, des Alltags, den jeder so oder ganz ähnlich kennt. Das macht das Buch noch mal so witzig. Zudem steckt das Buch voller herrlicher Zitate, die man sich einfach markieren, aufschreiben und überall aufhängen möchte. Mein Lieblingszitat: Menschsein ist eine einzige Verknüpfung von Zufällen und Entscheidungen, die man nicht selber trifft. Die Kernaussage des Buches ist wahr und wichtig – und leider in unserer Gesellschaft ein wenig in Vergessenheit geraten. Freundschaften wollen gelebt werden, gepflegt und genährt. Miteinander, nicht nebeneinander her und schon gar nicht gegeneinander! Stil, Sprachwitz und Einfühlungsvermögen von Sven Stricker lassen dieses Buch ein wahres Kleinod werden. Die Story klingt eine ganze Zeit nach und hat das Zeug, die Gesellschaft ein wenig aufzurütteln und über das Krankheitsbild Depression nachzudenken. Ich hatte eine tolle Lesezeit mit dem Buch und warte schon jetzt auf das nächste Werk dieses Autors! Ganz klar: fünf Sterne!

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