Paula
„The Belles“ gehört zu den vielen Büchern, von denen ich erst einmal Abstand gehalten habe. Grund dafür waren sehr stark auseinander gehende Meinungen sowie die Tatsache, dass das Buch überall auf Instagram zu sehen war. Nun, wo sich die Lage beruhigt hatte, bekam ich richtig Lust auf das Buch und kann euch nun sagen, wie es mir gefallen hat. In der Welt von „The Belles“ – sie wird Orléans genannt – sind die Menschen nicht so, wie wir sie kennen. Hier variiert nichts zwischen hellem und dunklem Hautton, schwarzen oder blonden Haaren. Die Menschen von Orléans heißen Gris. Sie haben graue, unschöne Haut, rote Augen und Stroh-ähnliches Haar. Eigentlich. Denn nachdem der Gott des Himmels dieses Schicksal vor vielen Jahren über das Land brachte, erschuf die Göttin der Schönheit die sogenannten Belles. Sie haben die Fähigkeit, das äußere Erscheinungsbild der Menschen und auch ihr Auftreten nach belieben anzupassen. Und unsere Protagonistin Camelia ist eine dieser Belles, zu ihrem sechzehnten Geburtstag dazu auserwählt, mit ihren Schwestern an den Hof der Königin zu reisen. Dort beginnt die Handlung des Buches. Und zwar mit sehr vielen detaillierten Beschreibungen. Das hat für die Situation sehr gut gepasst, schließlich ist Camelia zunächst überfordert von den vielen Sinneseindrücken, und auch während des restlichen Verlaufs des Buches wirkte der Schreibstil sehr gut auf die Szenen angepasst. Der Einstieg in das Buch über die ersten 100 Seiten blieb recht fad und hat sich sehr gezogen. Generell enthält das Buch nicht viele nervenaufreibende, actiongeladene Szenen wie andere Dystopien. In „The Belles“ liegt der Fokus sehr stark auf der Beschreibung des Weltenaufbaus, was Dhonielle Clayton sehr gut gelingt. Die Welt von Orléans besteht aus einer großen Insel, die von vielen kleineren umgeben ist und von denen mit notwendigen Lebensmitteln und Handelsgütern versorgt wird. Es gibt zwar einige technische Geräte und Gegenstände, aber die werden nicht mit den heutigen Worten, wie beispielsweise „Foto“ umschrieben. Neue Erfindungen wurden auch sehr detailliert erklärt und ausgemalt, wodurch ich sie mir als Leser sehr gut vorstellen kann. Ich bin insgeheim sehr großer Fan der Postballons! Nach den ersten 100 Seiten hat mir das Buch dann zunehmend besser gefallen. Die ersten ungeklärten Mysterien wurden angesprochen und Camelia macht Bekanntschaft mit den ersten neuen Personen, wie Prinzessin Sophia oder Soldat Rémy. Rémy war nebenbei bemerkt übrigens mein absoluter Lieblingscharakter, ich mochte ihn vom ersten Moment an und freue mich schon in Zukunft mehr über hinzu erfahren. Was mich in meinem Lesefluss manchmal ein wenig gestört hat waren die vielen französischen Wörter. Das Buch ist voll davon, und bei der Hälfte weiß ich nicht einmal wie man sie ausspricht – doch irgendwann gehörte das für mich einfach zu der Geschichte dazu und wenn man sich erstmal daran gewöhnt und sich damit abgefunden hat, macht das Lesen auch wieder mehr Spaß. Was mich von vorne bis hinten geärgert hat, war leider das Verhalten der Protagonistin. Camelia ist als eine von nur sechs Belles etwas ganz Besonderes, und sie verhält sich, als wäre ihr das nur allzu bewusst. Sie tritt sehr hochnäsig und von sich selbst überzeugt auf, was mich ganz schön heruntergezogen hat. Dass die ganzen Schönheitsbehandlungen und Dinge, die sonst von ihr verlangt werden bösen Ursprungs sind und ihr gefährlich werden, realisiert sie sehr langsam und ohne wirklich große Besorgnis. Ihre von sich selbst eingenommene Art besserte sich im Verlauf des Buches, aber sie ist mir nach wie vor eine sehr unsympathische Protagonistin. Mehr Freude bereitete mir das Thema des Buches: Was passiert, wenn plötzlich nur noch das äußere Erscheinungsbild eines Menschen zählt und dieses nach Belieben jederzeit angepasst und verändert werden kann? Dhonielle Clayton erzählt am Ende des Bandes kurz, wie sie auf das Thema kam, und man merkt, dass sie sich sehr intensiv mit dem Thema beschäftigt hat. Die Schönheitsbehandlungen, denen sich die Menschen in der Geschichte unterziehen, sind sehr genau und schmerzhaft beschrieben, was den Ausdruck noch einmal verstärkt. Die Ausmaße, die der Wunsch, die Schönste zu sein, annehmen kann, waren gewaltig, erschreckend und zum Nachdenken anregend. Aber vor allem war es ein Thema, mit dem sich zuvor noch niemand so drastisch und ernst innerhalb eines Buches auseinandergesetzt hat – allein deshalb war es sehr originell und außergewöhnlich.