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Posted on 5.2.2020

Hier bin ich – Ich kann nicht anders Hier bin ich – und ich kann nicht anders. Was manche Leser für die Nabelschau eines amerikanisch jüdischen Mannes der middle class halten, kam bei mir mit Wucht und Verve gänzlich anders an. Diese Here I am, des engl. Originaltitels, der mich an Luthers „hier stehe ich und kann nicht anders“ nicht nur erinnert, Foers Protagonist Jakob kann wirklich nicht anders. Ebenso wie Julie, die nicht mehr mit ihm kann, eben weil er so ist, wie er ist. Oder die Kinder der beiden: Sam, Max und Benji, Argus der Hund Isaac und Irv, Großvater und Urgroßvater der drei Söhne der dem Holocaust entkam. Sie alle können nicht anders. Israel als Staat, der nicht anders kann (auch wenn darüber lang und breit disputiert werden kann, darf und soll) Opulent und detailversessen kommt dieser Roman daher. Doch gerade diese Detailversessenheit, ja Verliebtheit, zeichnet seine Wucht, mit der er zumindest mich überwältigt und gefesselt hat, aus. Rasante Dialoge, die Konzentration aber auch Spannung erzeugen und von Beginn an in den Roman eintauchen lassen. Hier wird die Frage gestellt, ob man allein nicht glücklicher ist und das dürfte wohl eine der Grundsatzfragen jeder langjährigen Beziehung sein, wenn es denn mal kriselt. Foer lässt seinem Protagonisten einen ganzen Roman lang an dieser Frage arbeiten, passend zu seinem Charakter der mich an Woody Allen und seine Filme erinnert. Intellektuell, alles hinterfragend unsicher und unentschlossen. Solange Entscheidungen hinauszögernd, bis sie einem abgenommen werden. Das mag feige und mutlos erscheinen, ist aber konsequent auf eine verschrobene, für mich ab und an nachvollziehbare Art und Weise. Wäre Hier bin ich nur auf Jakobs Persönlich- und Befindlichkeiten ausgerichtet, wäre es zuwenig und zurecht als Nabelschau zu bezeichnen. (Beispiel Navid Kermanis Sozusagen Paris). Doch Foer geht die Chose anders an. Wo Kermani seine Belesenheit und sein Wissen vor dem geneigten, oder auch weniger geneigten Leser ausbreitet und zu öden Gleichnissen zusammenstoppelt, wird Foer, ganz im Sinne von Here I am, emotional. Schildert authentische, nachvollziehbare Gefühle und Gedanken echter Menschen. Das Leid dieses Paares, das beim Rabbi sitzt um sich anzuhören, was der 13 jährige „verbrochen“ hat und dabei ganz andere, echte Probleme hat. „Wir wollen zurück zum Glück.“ „Jacob und Julia registrierten im Stillen, was dieser Satz zum Ausdruck brachte – Hoffnung, Traurigkeit, Verstörung -, während sich die Wörter im Zimmer verteilten , auf die Stapel religiöser Bücher und den fleckigen Teppichboden rieselten. Sie waren vom Weg abgekommen und hatten den Kompass verloren, nicht aber den Glauben, dass es möglich sei, wieder auf Kurs zu kommen – obwohl keiner von beiden wusste von welchem Glück die Rede war.“ Da ist ein Vater, der schmerzlich seine Söhne vermisst, ein Vater der sich von Beginn an mit dem Loslassen der Kinder auseinandersetzt und es kann, aber hasst. Ein Vater und eine Mutter, die ihre Söhne mehr lieben als sich, die sich irgendwann im Alltag verloren haben, ein Mann, der aufgrund seiner jüdisch geprägten, obwohl eigentlich säkular und nur aus Tradition und Verpflichtung den Traditionen folgend schwierig zu lieben, weil kaum zu erfassen ist. Er schildert die eheliche Sprachlosigkeit trotz hoher verbaler Kompetenz die aber nicht dazu verwendet wird, das was angesprochen werden sollte auch auszusprechen, aufgrund des für als zu hoch erachteten Verletzungsriskos. Foer setzt hier auf intuitives Lesen und das ist großartig. Wie er Jacob in seinen verschiedenen Rollen als Sohn, Enkel, Cousin, Vater, Jude, Mann offenbart ist faszinierend. Nebenbei, by the way, erfährt man etwas über den Unterschied der amerikanischen zu den israelischen Juden. Eingeflochten in die Beziehung zu Jacobs israelischen Cousin Tamir, der zu Besuch kommt, um die Bar Mitzwa des ältesten Sohnes Sam mitzufeiern. Sam der mit seinen 13 Jahren und nach der Erziehung durch diese Eltern so frühreif, verletzlich und kritisch ist und die Bar Mitzwa nicht haben möchte, sie mit allen Mitteln und aus verschiedensten Gründen zu torpedieren versucht. Jonathan Safran Foer erschafft hier Charaktere, die sich in Kopf und Herz fräsen und dort lange nachhallen. Ja, ab und an ist man versucht, Jacob ganz kräftig in den A… treten zu wollen. Aber Her I am! Er kann nicht anders. Es ist vorgezeichnet. Nach diesem Roman ist mir anschaulicher geworden, was das säkulare Judentum beeinflusst. Die Geschichte der sich auch die Säkularen nicht entziehen können/wollen. Foer hat hier schlicht einen literarischen Rundumschlag geschaffen, einen Geschichts- , Familien-, Ehe-, Beziehungsroman mit fiktionalen Elementen, wie dem Erdbeben im nahen Osten, welches Ausmaße annimmt und Gesetzmässigkeiten in Gang setzt, die extrem unschön, aber erschreckend realistisch erscheinen. Er wechselt nach Bedarf die Stilmittel: Dialoge, innere Monologe, Telefongespräche, simst, entführt in das Denken seiner männlichen Protagonisten, nur Julias Innerstes bleibt ein wenig blass, das ist aber verzeihlich, und ihm nicht anzukreiden, da es hier um Jacob geht, der im Gegensatz zu Julia nicht weiß was er will, Julia hat sich zu diesem Wissen vorgetastet. Mich hat er mit dieser Chuzpe erreicht, mit seinem subtilen Humor begeistert. Trotz Detailfülle, Abschweifungen, zahlreichen Nebenschauplätzen fügt sich das Romangesamtbild wunderbar zusammen und so ist das Ende so folgerichtig und aussagekräftig, wie das Leben, das Foer mit diesem Buch feiert. Ein Lesehighlight 2016. Was John Williams mit Stoner gelang ist Jonathan Safran Foer mit Hier bin ich gelungen. Einen Roman, den man allein schon wegen seiner Satz Schätze wieder lesen möchte.

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