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Posted on 5.2.2020

Jahre des Jägers – Das Finale der Trilogie Don Winslows erstes Buch mit dem ich in Berührung kam war Kings of Cool. Kalifornische Surferboys, die genetisch veredeltes Dope verticken und sich so in die Bredouille surfen. So rotzig, authentisch, respektlos und grandios hatte ich bisher nichts gelesen. Glücklicherweise ist die heimische Stadtbibliothek gut bestückt, und so stieß ich auf Tage der Toten, den ersten Band dieser ursprünglich nicht als Trilogie angelegten Reihe. Winslow, der Journalistik und Militärgeschichte studiert hat und vom Kinobetreiber bis hin zum Safariführer und Unternehmensberater viele Jobs hatte, recherchierte akribisch, kennt die Szene und er hat ein besonderes Händchen dafür, punktgenaue Sätze abzuliefern, die Szenerie, Charaktere und Atmosphäre so wiedergeben, dass man den nonverbalen Kontext sofort in 3D-Kopfkino auf Großleinwand umsetzt. Apropos Kopfkino, manchmal hätte ich mir weniger davon gewünscht. Winslow erspart der Leserschaft nichts. Er schreibt politische „Thriller“ mit sozialen Einblicken, die Trostlosigkeit, Hoffnungslosigkeit, Brutalität, Amoralität und eben auch die Größe einzelner Individuen, ihre Hoffnungen, Wünsche, ihren Antrieb, charakterliche Stärken und Schwächen fesselnd einfangen. Dabei wechselt er mühelos von Prosa zu Poesie und zurück zu widerwärtigster Sozio- und Psychopathendenke. Er beschreibt die Gier. Die Gier nach Macht, Geld und noch mehr Macht und noch mehr Geld und in der Erzählung schimmert der Unsinn dieses Strebens fortwährend durch. Vielschichtig und verzweigt sind diese drei Romane, die man nicht mit dem Begriff Thriller abtun sollte, sie sind mehr als das. Sie sind fiktive Erfahrungsberichte, die sich auf detaillierte Recherchen stützen und in mehreren Ebenen das Elend und Leid schildern, das jenseits und diesseits der US-Grenze von der US-amerikanischen Drogenpolitik verursacht wird. Ging es in Tage der Toten noch um Mexiko und die Entstehung des Sinaloa Kartells und die ungezählten Opfer, die die Drogenindustrie einforderte, all das mit unfreundlicher aber vorhandener Unterstützung wahlweise der CIA, des DEA oder anderen US-Institutionen, die auf dem Rücken all dieser Opfer ihre eigenen Ziele verfolgen, vordergründig dabei aber immer die Vernichtung der Drogenhersteller und Vertreiber als Zweck vorschieben. Teils meint man sich in einem Splatterhorrorroman zu befinden, immer mit dem Wissen, dass nichts was der Autor beschreibt reine Phantasie ist. Nach den „Tagen der Toten“ hatte „Das Kartell“ die Macht übernommen und solange der Oberboss für Ordnung sorgte gab es weniger Gemetzel. Im dritten Band, Jahre des Jägers erzählt er, wie sich der War on Drugs verselbständigt hat. Wie diverse Industrien und Menschen davon auf legalem Wege profitieren und der Kapitalismus, sowie die daraus folgende Korruption, Dekadenz und ein unsagbar widerwärtiger, populistischer US-Präsident – dessen offensichtliche Lobbyarbeit für die Reichen er als Kampf gegen das Establishment verkauft – involviert sind. All das was Art Keller, Winslows Held und zugleich Antiheld seit Jahren zu bekämpfen versucht, bricht sich erneut, in einem brutalen Machtkampf um die Herrschaft, Bahn. Zusätzlich befeuert von den sozialen Medien, auf denen es gilt, immer noch eine sensationelle, bisher nie dagewesene Grausamkeit, Undenkbarkeit draufzusetzen. Keller hat ein Amt übernommen von dem er glaubt diese Entwicklung zuverändern, Verbesserungen und einen Richtungswechsel anzustossen. Die Frage ob und wie es ihm gelingt falls er Erfolg hat ist der sich permaent durchziehende Spannungsbogen den Winslow nie locker lässt. Der Sog dieses Buches ist immens. Winslow erzählt niemals nur eine Geschichte, er erzählt viele, er zeigt die Grautöne, macht sichtbar, dass in dieser komplexen Welt kein Schwarz/Weiss existiert. Diese Trilogie, die er laut eigener Aussage selbst so nie angedacht hatte, die er schreiben musste, weil es jemand aufzeigen, anprangern muss, hat sich verselbständigt. Seine atemlos wegzulesenden, grandiosen, gesellschaftskritischen, zum Nachdenken anregenden Romane über den War on Drugs sind ein absolutes must read für jeden politisch interessierten Menschen.

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