stefanie aus frei
Thema wichtig. Umsetzung "hübsch", aber nicht passend. gelesen von Burkhard Klausner 23. Mai 2001. In einem Berliner Hotel begibt sich der ältere Italiener Fabrizio Collini zu einer Suite und trifft dort einen 86jährigen, der zwanzig Minuten später tot sein wird, erschossen mit einer alten Waffe. Collini lässt am Empfang die Polizei rufen. Caspar Leinen ist seit 42 Tagen zugelassen als Rechtsanwalt und steht in der Liste für den Notdienst der Strafverteidiger. Er wird zum Pflichtverteidiger für den Mandanten, der kein Wort sagt zum Motiv. Den erfahrenen Hasen Richter Köhler und Oberstaatsanwalt Reimers hat er ebenso wenig entgegenzusetzen wie später dem Star-Strafverteidiger Mattinger, aber geradezu davonrennen von dem Fall will er, als er erfährt, wenn Collini ermordet hat: den Großvater seines besten Freundes, der früher auch für ihn eine Vaterrolle eingenommen hatte. Ausgerechnet von der Schwester seines Freundes, für die er immer schon eine Schwäche hatte, muss er erfahren, wer das Opfer ist; sie ist wenig begeistert von Caspars Rolle für den Mörder ihres Großvaters. Doch der junge Anwalt beginnt zu recherchieren und begibt sich in Abgründe. Ich war auf das Buch gestoßen im Rahmen einer Verlosung des (kürzeren) Hörspiels, als der Film in die Kinos kam. Ich mag Hörbücher lieber und habe mir dann das Hörbuch besorgt – aber leider hatte die Werbung für den Film bereits die Pointe verraten: Das Motiv. Wobei – es ist Deutschland, es sind alte Männer, die Trefferquote dürfte auch für Ratende gute Chancen bieten. Damit ist das hier zweierlei: einmal ist das Thema an sich nicht neu. Ja, wichtig – aber niemand benötigt NOCH "irgendein" Buch zum Thema, es gibt schon viele wirklich gute, die ich lieber häufiger gelesen sähe, mehr diskutiert. Was aber neu ist: es kommt ein Verjährungsskandal zu Sprache, von dem ich vorher nichts gehört hatte. Dieses Thema des „Einführungsgesetzes zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten“, durch das Straftaten, ja Verbrechen gegen die Menschlichkeit, zu Ordnungswidrigkeiten herabgestuft werden und damit verjähren konnten, fand ich extrem wichtig, leider kommt mir das Buch vor wie ein reines Vehikel, um nun diesen Verjährungsskandal darzustellen. Das ist zwar sprachlich angenehm getan, ich komme jedoch nicht an dieser Künstlichkeit vorbei. Darüber hinaus wird in epischer Breite (so lang ist die Geschichte ja nicht) ausgewalzt, wie es denn zu der Verbundenheit Caspars mit der Familie Meyer kam. Das ist ja eine hübsche Erinnerung, aber völlig irrelevant für die schreiende Ungerechtigkeit, um die es hier geht. Oder soll damit die moralische Erhabenheit des Anwaltes dargestellt werden, dem es nur um die Wahrheit geht, um nichts als die Wahrheit, ohne Ansehen der Person? Oder soll der Mensch hinter den Taten Meyers gezeigt werden? Auch das wirkt auf mich verkrampft. Das muss man sich so vorstellen: Da übernimmt der Anwalt Leinen die Pflichtverteidigung. Dann war es das erst einmal mit der Gegenwart – jetzt geht es ausführlich in die Jugend von Caspar, seinem Freund Philipp und dessen Schwester Johanna, um die Beziehungen untereinander und zu den Erwachsenen. Ich fragte mich da dann doch bald, wann es denn endlich wieder zur Handlung käme beziehungsweise was das mit dem Heute zu tun habe. Und das ist? Caspar schätzte Hans Meyer Punkt. Wäre aber kürzer. Und Schirach schreibt das zwar schöner, aber auch nicht mit mehr Aussage. Das Thema finde ich wichtig, die Umsetzung zwar "hübsch", aber nicht passend. Gut gelesen von Burkhard Klausner. 3 Sterne. https://de.wikipedia.org/wiki/Einf%C3%BChrungsgesetz_zum_Gesetz_%C3%BCber_Ordnungswidrigkeiten