
Lara
Die junge kroatischstämmige Autorin Sara Nović, setzt sich in ihrem Debütroman mit einem grausamen Kapitel des Nah-Ost-Konfliktes auseinander – mit dem jugoslawischen Bürgerkrieg zwischen Serben und Kroaten, der zu Beginn der 90-iger Jahre tobte und wie jede kriegerische Auseinandersetzung eine Vielzahl unschuldiger, ziviler Opfer forderte. Dabei geht sie ganz gezielt auf das Empfinden eines Kindes ein, welches einerseits abhängig von den Entscheidungen der Eltern ist, andererseits aber gezwungen wird, sich allein durchzuschlagen in der Gewissheit, dass es die eigene Familie nicht mehr gibt. Die gewählte Ich-Perspektive der Erzählerin lässt das Geschehen umso dramatischer und vernichtender wirken. Sehr geschickt werden dabei die Vorfälle in verschiedenen Kapiteln verpackt. Der Leser lernt Ana deshalb auch in drei Lebensphasen kennen: als kleines Mädchen in Kroatien direkt im Krieg, als erwachsene Frau in der modernen amerikanischen Welt und letztlich als Suchende zurück in der zerstörten doch kriegsberuhigten Heimat. Die Vielfalt des Romans beruht auf einem emotionalen Erzählton, der mehr reflektiert und beschreibt, welche Belange das Individuum durchlebt und welche Schäden die Seele trägt, die der Willkür eines totalitären Staates ausgeliefert ist. Immer durchlebt man die Gefühlswelt der Protagonistin aus einem Blickwinkel, der sehr tief reicht, selbst wenn das große Ganze ausgeblendet wird. Dadurch wirkt das Buch zunehmend bedrückend und schwermütig. Denn schnell wird klar, das eine ehrliche, unkomplizierte Gestaltung der Gegenwart unmöglich ist, solange die Schatten der Vergangenheit immer noch die Gedanken umklammern. Fazit Ich vergebe gute 4 Lesesterne für diesen intensiven, schonungslosen Roman, der gleichermaßen das Porträt einer verletzten Menschenseele ist, wie die historische Auseinandersetzung mit einem Staatenkonflikt und seinen weitreichenden Folgen. Die Thematik Hilflosigkeit, sinnloses Töten und Traumatisierung wird perfekt inszeniert, doch man muss sie als Leser auch aushalten können, muss innerlichen Abstand gewinnen, um nicht ebenso wie die Protagonistin die Schrecken an sich heranzulassen. Ein lesenswerter Debütroman, voller Emotionen, aus persönlichem Blickwinkel betrachtet, der eine Lücke in der belletristischen Landschaft schließt, weil er sich so aktuell und präsent zeigt.