seehase1977
Kurzweiliger und spannender historischer Roman zu Zeiten der Hanse Es ist das Jahr 1367 als in Ostfriesland in einer stürmischen Vollmondnacht das Mädchen Ava geboren wird. Von der Mutter zurückgelassen, wächst die Kleine bei ihrer Großmutter Edda auf. Ihr Leben in einer Höhle im Brookmerland ist einsam, hart aber auch zufrieden. Edda gibt nicht nur ihr Wissen über heilende Pflanzen an das Mädchen weiter, sondern bringt ihr auch die Welt der nordischen Götter mitsamt ihren Ritualen und Weisen nahe. Avas behütetes Leben endet abrupt, als bei einem Überfall ihre Großmutter Edda getötet wird. Ava entkommt den Angreifern nur knapp und muss sich fortan auf eigene Faust durchschlagen. Eine abenteuerliche Reise beginnt, die das Mädchen bis ins mecklenburgische Wismar führt, wo sie einem jungen Mann begegnet, der sie sofort fasziniert: Klaus Störtebeker… Meine Meinung: Die Hamburgerin Kathrin Hanke konnte mich bisher mit ihren beiden biografischen Kriminalromanen überzeugen. Jetzt betritt die auch durch ihre Heidekrimis bekannte Autorin mit dem historischen Roman „Störtebekers Piratin – Eine Liebe zur Zeit der Hanse“ neues Terrain. Klaus Störtebeker spielt jedoch – anders als es die Überschrift verspricht - in dieser Geschichte erstmal keine große Rolle, weshalb der Titel etwas ungeschickt und irreführend gewählt wurde. Dennoch hat mich die Autorin in eine spannende Zeit entführt und mir kurzweilige und unterhaltsame Lektüre beschert. Wie schon erwähnt, geht es hier nicht um die Mythen und Legenden, die sich um den Namen Klaus Störtebeker ranken und die mit seinem Namen zwangsläufig in Verbindung gebracht werden. Vielmehr erhält man Einblick in das Leben der Menschen Ende des 13. Jahrhunderts. Aus der Perspektive des Mädchens Ava, die ein gefährliches Geheimnis mit sich trägt, erlebt der Leser eine aufregende und abenteuerliche Reise, voller Gefahren, Entbehrungen und bewegenden Momenten. "Für mich bist Du Ava, mein wildes Wasser, gleichgültig,wie du sonst noch heißen wirst." Das Setting reicht vom ursprünglichen, von Mooren durchzogenen und, teils noch von dem Glauben an die nordischen Götter beherrschten Ostfriesland, bis hin zu Städten wie Hamburg oder Wismar, mit ihren Stadtmauern und Befestigungsanlagen, die sich dem mittelalterlichen Kaufmanns- und Städtebund der Hanse angeschlossen haben. Dort wird reger, nicht immer fairer Handel betrieben und viele Frauen müssen, um zu überleben oder um ihre Familie ernähren zu können, ihre Körper an die zahlreichen Freier verkaufen. Eine bunte, turbulente Welt für die Reichen, ein hartes und gefährliches Leben für die Armen. Und natürlich bekommt auch der sagenumwobene und eindrucksvolle Klaus Störtebeker seinen Auftritt. Kathrin Hanke erzählt klar, flüssig und voller Lebendigkeit. Gekonnt gelingt es ihr, Stimmungen und Gefühle zu beschreiben und Situationen bildhaft und mitreißend darzustellen. Zudem lässt die Autorin stets auch historisch belegbare Fakten mit in die Geschichte einfließen, so dass ein rundes, unterhaltsames und abwechslungsreiches Gesamtbild entsteht. Eine schöne Nebensache, die ich hervorheben möchte, sind die verschiedenen überlieferten Redewendungen, deren Herkunft oder Bedeutung vor jedem neuen Kapitel in kurzen Sätzen erklärt werden. Auch ihre Protagonisten erfüllt Hanke mit Leben, allen voran Ava, ein mutiges und wissbegieriges Mädchen, das man einfach ins Herz schließen muss und deren Abenteuer man gebannt mitverfolgt. Auch Edda, die Großmutter, die in dieser Geschichte für das Ursprüngliche steht und ihr Wissen über heilende Pflanzen und nordische Götter an ihre Enkeltochter weitergibt, hat mir sehr gut gefallen. Überhaupt sind sämtliche Nebenrollen schön gezeichnete und eigenständige Charaktere. Mein Fazit: Kathrin Hanke hat mit „Störtebekers Piratin“ einen kurzweiligen, stimmungsvollen und abenteuerlichen historischen Roman mit durchaus auch mystischen Zügen geschrieben. Wer hier aber eine Geschichte über Klaus Störtebeker erwartet, wird erstmal enttäuscht. Der Titel lockt unglücklich auf eine falsche Fährte, vor allem dann, wenn für das Buch keine Fortsetzung geplant ist, was ich nicht hoffe! Mir hat die Geschichte aus der Zeit der Hanse und der Freibeuter sehr gut gefallen und empfehle das Buch gerne weiter.