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Sarang

Posted on 4.2.2020

"Was ist das?" Er schob das Kinn vor und reckte es in ihre Richtung. "Was meinst du?", fragte Mary und drehte sich zu ihm um. "Na, das da- an deiner Hose". Sie schaute an sich herunter. Die helle Hose des Vaters. Ausgeleierte Baumwolle, ein wenig zu groß und angeschmutzt, aber ansonsten gut in Schuss. "Nein, ich meine hinten. Da ist Blut." S. 164 Inhalt: England 18 Jahrhundert: Mary Linley hat ihren Vater verloren. Ihren Vater, der ihr alles bedeutete und der ihr sein gesamtes, umfangreiches Wissen vermittelte. Mary steht nun unter der Fürsorge ihrer Tante. Diese will sie umgehend verheiraten, denn Mary ist viel zu sehr mit Angelegenheiten beschäftigt, die sich schädlich auf das weibliche Geschlecht auswirken und auch schon 19-Jahre alt, also beinahe überfällig. Zu diesem Zweck lädt sie unentwegt verschiedene Heiratskandidaten ein und einer ist dabei, der zwar sehr nett scheint, doch Mary möchte nicht das langweilige Leben einer Hausfrau leben und den Launen eines Mannes unterworfen sein. Als sie merkt, dass es in England für sie kein entkommen gibt, entschließt sie sich zu einem mutigen Schritt. Getarnt als Mann bewirbt sich bei der Navy Royal für eine Expedition ans andere Ende der Welt als Botanikerin und wird schließlich als Zeichnerin eingestellt. Da ahnt sie noch nicht, dass das Leben an Bord eines Schiffes viele tragische Opfer fordert und ihre Tarnung viel zu oft aufzufliegen droht. Meine Meinung: Nach der ersten Seite von dem historischen Roman „Vom anderen Ende der Welt“ war mir klar, dass dieses Buch auf einer Wellenlänge mit mir steht und etwas ganz besonderes ist. Liv Winterbergs Schreibstil war so bildreich und eindringlich, ohne überladen zu sein, dass ich sofort in die Geschichte einsteigen konnte. Fasziniert hat mich dieses Buch. Auf eine real scheinende Reise mitgenommen. Etwas in mir zum Schmelzen gebracht. Ich weiß jetzt wieder, warum ich sehr gerne historische Bücher lese. Die Hintergründe solcher Romane und die Geschichten selbst sind alle dermaßen einmalig und unvorhersehbar, dass ich mich kaum von den Seiten lösen konnte. „Vom anderen Ende der Welt“ ist in drei Teile gegliedert. Der zweite Teil auf dem Schiff war mir anfangs zu lang. Zwar passierte immer etwas, doch die Abwechslung kam dort ein wenig abhanden. Generell gilt aber, dass Liv Winterberg alle meine Vermutungen über den Haufen geworfen hat und ich jedes Mal eine rasante Überraschung erlebte. Im dritten Teil dieses Buches ist dann das passiert, vor dem ich mich gefürchtet habe. In meinem Leben habe ich bisher nur bei einem Buch so extrem weinen müssen, dass ich nicht mehr aus den Augen gucken konnte. Bei „Das Orangenmädchen“ von Jostein Gaarder. Zum Ende hin bei "Vom anderen Ende der Welt"  geschah dann das, was bei mir auf die Tränendrüsen und die Brust drückte. Die Wendung der Handlung, war zu gemein, zu traurig, zu fies und von Liv Winterberg so bravourös geschrieben, dass ich den Schmerz, den die Figuren spürten, selbst verspürte. So wollten die Tränen auch nicht stoppen und es hat lange gedauert bis ich mich gefangen hatte und normal weiterlesen konnte. „Vom anderen Ende der Welt“ ist in einer personalen Erzählsituation geschrieben. Dies schafft einerseits Distanz und andererseits wird durch kursiv geschriebene Gedankengänge der Personen eine ausgewogene Balance geschaffen, die eine nähere Beziehung zu den Akteuren zulässt. Außerdem wechseln die Perspektiven, so dass ich mich jedem der wichtigen Figuren verbundener fühlte. Am anderen Ende der Welt angelangt, bin ich von seltenen Pflanzen, fremden Bräuchen und magischen Momenten verführt worden. Liv Winterbergs Werk ist ein Highlight in meinem Buchregal! Mein Fazit: Der Plot dieses Romans rieselte auf mich herab, wie ein schöner und frischer morgendlicher Regenschauer. Lange ist es her, dass ich einen Roman gelesen habe, der mir auf Anhieb so gut gefiel und mir die Sonnen – aber auch Schattenseiten aufzeigte. Mary Linley ist eine außergewöhnliche Charakterin und ihr Schicksal ist eines, was gelesen werden sollte. Ich lege dieses Buch den Freunden der historischen Literatur ans Herz und auch denjenigen, die einen kleinen Einstieg in dieses Genre wagen wollen. „Vom anderen Ende der Welt“ basiert teilweise auf wahren Begebenheiten, zumindest aber auf der Grundlage, dass die französische Botanikerin Jeanne Baret wirklich gelebt hat und diese Geschichte von Frankreich, nach England umgesiedelt wurde. Jeanne Baret diente also als Inspirationsquelle, die der Autorin half, die wiederum mich durch dieses Werk inspirierte.

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