S. J.
Ein Jahr ist es nun her, dass die Serie um das verbotene Liebespaar Cassia und Ky begonnen hat. Ich habe "Die Auswahl" sehr geliebt und war von Anfang an von der Geschichte mehr als nur fasziniert. Für mich stand schon nach den ersten Seiten fest, dass es eines meiner Lieblingsbücher sein wird. So war ich natürlich voller Vorfreude, was "Die Flucht" betrifft, und das Jahr konnte für mich nicht schnell genug vergehen. Im Januar 2012 erschien der zweite Teil und ich habe bis Ende Mai gebraucht, bis ich endlich fertig war. Ihr fragt euch, woran das gelegen haben mag? Vielleicht daran, dass dies die schlechteste Fortsetzung eines Buches ist, die ich jemals gelesen habe. Ally Condie hat mich wirklich maßlos enttäuscht. In diesem Band wird die Handlung abwechselnd aus Cassias und Kys Perspektive erzählt. Diese Erzählform ist passend gewählt, da man so einen Einblick in die Erlebnisse beider Charaktere erhält, die sich über 200 Seiten im Buch nicht über den Weg laufen. Zwar sind beide in den Canyons, doch dauert es eine ganze Weile, bis sie sich endlich wiederfinden. Die gesamte restliche Zeit laufen sie eigentlich nur. Sie laufen und laufen und laufen und an Handlung passiert überhaupt nichts. Oftmals wird die Angst von Cassia geschildert, dass die Gesellschaft ihnen auf der Spur ist und sie in deren Falle tappen könnten, doch auch in dieser Hinsicht passiert einfach nichts. Vergeblich wartet man auf die Spannung, die jedoch völlig ausbleibt. Auch bei Ky sieht es ähnlich aus. Gemeinsam mit zwei Jungen, Vick und Eli, die er im Lager kennengelernt hat, begibt er sich in die Canyons. Vick und Eli haben dem Ganzen immerhin das gewisse Etwas gegeben. Beide Charaktere sind sehr interessant, auch wenn Eli zwischenzeitlich etwas anstrengend und nervig ist – doch er ist ein Kind, also sei ihm verziehen. Was allerdings sehr schade ist, ist dass man beide nicht wirklich kennenlernt. Ich hätte mir gewünscht, dass Condie besonders bei den neuen Charakteren mehr in die Tiefe geht, sodass man sich als Leser darüber freuen kann, neue Dinge in diesem Band zu lernen. Die neue Freundin von Cassia, Indie, war mir jedoch eher weniger sympathisch und bei ihr bin ich glücklich darüber, dass man nicht sehr viel über sie erfahren hat. Allerdings hat sie etwas sehr Mysteriöses an sich und man spürt, dass sie etwas zu verbergen hat. Was sich hinter diesem geheimnisvollen Mädchenverbirgt, erfahren wir in "Die Flucht" noch nicht. Vielleicht hat sich Ally Condie dies für den letzten Teil der Trilogie – "Die Ankunft" – aufbewahrt. Was mir besonders am ersten Band "Die Auswahl" gefallen hat, war die tiefe Verbundenheit zwischen Cassia und Ky. Die Ausarbeitung der Charaktere war wirklich sensationell und man hat in jeder geschriebenen Zeile gespürt, wie sehr sie sich lieben und dass ihnen nichts wichtiger ist, als zusammen sein zu können. Gerade dies hat mir im Folgeband gefehlt. Die Handlung hier ist eine wirklich anstrengende Wanderung, nicht nur für Cassia, sondern auch für mich als Leser. Oftmals war ich erschöpft und konnte einfach nicht mehr. Auf jeder Seite hatte ich den gleichen Gedanken: Wann passiert endlich etwas? Ein kleines bisschen bergauf geht es erst, als Cassia und Ky sich finden, und das hat, wie schon erwähnt, sehr lange gedauert. Doch auch als die beiden wieder zueinander gefunden haben, hat mir die Würze und das Feuer gefehlt. Die beiden wirken kühler und abweisender und von der tiefen Liebe ist leider nicht allzu viel zu spüren. Natürlich hat man gemerkt, dass sie sich vermisst haben und glücklich sind, sich nach all der Zeit wieder in die Arme schließen zu können, doch schnell war diese Glückseligkeit auch schon wieder verflogen. Schnell wird der Frieden der beiden gestört, als eine Frage aufgeworfen wird: Was hat Cassias bester Freund Xander für ein Geheimnis? Dieses wird knappe 30 Seiten später dann gelüftet und somit hätte ich das Buch am liebsten in die Ecke gepfeffert und nie wieder zur Hand genommen. Doch ich habe tapfer bis zum bitteren Ende durchgehalten, auch wenn es mir sehr schwer fiel. Nach langer Überlegung sind mir gerade mal zwei minimale Pluspunkte an dem Ganzen aufgefallen. Der Schreibstil ist wiedermal fantastisch und sehr detailgetreu, sodass man sich die Canyons sehr gut bildlich vorstellen kann. Durch die Wortwahl wirkt das Geschehen sehr greifbar und realistisch, sodass man sich sehr gut in die Situation hineinversetzen kann. Die Gedankengänge der Charaktere lassen sich dementsprechend auch sehr gut nachvollziehen. Ummantelt wird dies erneut durch die Gedichte, die Cassia und Ky auf ihrer langen Wanderung durch die Schluchten finden. Das zweite Lob gilt natürlich dem Cover. Es ist wunderschön und zeigt Cassia, wie es ihr langsam aber sicher gelingt, aus der Gesellschaft (der Kapsel) zu fliehen, um endlich frei zu sein. Fazit Eine mehr als enttäuschende Fortsetzung. Ich hoffe wirklich sehr, dass es der Autorin gelingen wird, wenigstens etwas mehr aus dem dritten Teil herauszuholen. Band 2 kann man sich allerdings – vor allem nach dem bescheuerten, abrupten und sinnlosen Ende – wirklich schenken.