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S. J.

Posted on 3.2.2020

Von diesem Buch hatte ich die ganze Zeit über nichts mitbekommen. Es war eher zufällig, dass ich es mir ausgeliehen und gelesen habe und ich bin wirklich überaus glücklich darüber, dass ich es getan habe, denn sonst wäre mir wirklich etwas entgangen. Bei „Vollendet“ handelt es sich um ein Buch, welches einen auch nach der letzten Seite noch lange nicht loslassen wird. Die Thematik ist einzigartig, schockierend, grausam und auf eine gewisse Art und Weise auch höchst interessant und ansprechend. Was Neal Shusterman mit diesem Roman geschaffen hat fasziniert und bewegt mich sehr. Das Besondere an diesem Buch ist es, dass jedes Kapitel aus der Sicht eines anderen geschrieben ist, doch niemals in der ersten Person. Die meiste Zeit über führen uns die drei Hauptcharaktere Connor, Risa und Lev durch die Handlung. Doch auch andere, eher zweitrangige Charaktere steuern ihren Teil in einigen Kapiteln bei und treiben somit die Handlung um ein weiteres Stück voran, da man einen tiefen Einblick in die Gedankengänge von ihnen allen bekommt. Doch um genauer auf die Protagonisten einzugehen: Connor ist ein willensstarker, mutiger junge Mann, dem das Recht zu leben von Jetzt auf Gleich entzogen werden soll. Dieses Recht möchte er sich aber auf keinen Fall von irgendwem nehmen lassen und somit flüchtet er, um seiner Umwandlung zu entgehen. Auf diesem Wege lernt er das Waisenkind Risa kennen, welches umgewandelt werden soll, um Platz im Heim freizumachen. Ihr Leben lang hat sie von einer Karriere als Pianistin geträumt, doch dieser zerplatzt in jenem Moment, in dem man ihr von ihrem Schicksal erzählt. Gemeinsam mit Connor nehmen sie Lev als eine Art Geisel. Er hat sich schon früh auf sein Schicksal einstellen können und für ihn ist es eine Ehre geopfert zu werden und in vielen anderen Menschen seinen Platz zu finden. Während ihrer Flucht durchleben die Drei eine einzigartige Wandlung. Sie werden stärker, aufgeschlossener und würden bis zum bitteren Ende gegen eine Umwandlung kämpfen. Ich kann mir nicht ausmalen, was ich in einer solchen Situation tun würde und ob ich den Mut hätte vor meinem Schicksal davonzulaufen. Sie wissen, dass wenn sie entdeckt werden, würde das ihr Ende sein, doch akzeptieren können sie es nicht. Selbst das Zehntopfer Lev erkennt irgendwann, dass er sein Leben gerne in vollen Zügen genießen und auskosten möchte. Das gemeinsame Schicksal verbindet die Jugendlichen und sie wachsen einander sehr ans Herz. Sie können niemandem trauen und sind auf sich alleine gestellt, doch ihre Freundschaft verbindet sie so sehr miteinander, dass sie sich sicher sind, dass sie überleben werden. Lange hat mich kein Buch mehr so mitgenommen. Jeder einzelne Charakter macht einen Gesamtteil der Geschichte aus und ich kann mir nicht vorstellen, wie es wäre, wenn eine fehlen würde. Sie ergänzen sich alle so gut, dass sie ein perfektes Trio ergeben. Oftmals wird die Prozedur des Umwandelns leicht angeschnitten, doch niemand weiß wirklich, was genau mit einem passiert. Doch im Laufe der Geschichte bekommt der Leser immer mehr Informationen, die das Schicksal der Jugendlichen nur noch grausamer erscheinen lässt. Die Welt in der Connor, Risa und Lev leben, ist eine sehr grausame und man hofft beim Lesen inständig, dass es bei uns niemals wirklich soweit kommt. Die Kinder sind alle sehr reif, da sie dem Tod förmlich ins Auge sehen und dementsprechend stellen sie sich Fragen, die man sich für gewöhnlich nicht zwischen 13 und 18 Jahren stellt. Sie philosophieren darüber, ob es wirklich so etwas wie eine menschliche Seele gibt, die einen großen eines jeden Menschen ausmacht, sie überlegen sich, was sie im Leben wohl alles falsch gemacht haben, sodass man sie nicht mehr um sich haben möchte und besonders häufig wird die Frage vom Klappentext aufgeworfen: Wenn jeder Teil von dir am Leben ist, nur eben in jemand anderem… lebst du dann, oder bist du tot? Eine berechtigte Frage, auf die es allerdings keine konkrete Antwort geben kann. Niemand weiß, was nach der Umwandlung geschieht und es ist ein unumkehrbares Prozedere. Auch ich habe mir im Nachhinein viele Gedanken über die oben genannten Fragen gemacht, welche mir nicht mehr aus dem Kopf gehen. Wie grausam können Eltern sein, ihren Kindern so etwas Schreckliches anzutun? Jeder Mensch sollte das Recht darauf haben zu leben und man sollte sich dieses Recht keinesfalls nehmen lassen, um nichts in der Welt. Neal Shusterman hat mich mit „Vollendet“ mitten ins Herz getroffen und mir wunderbare Lesemomente beschert. Für mich eine der besten Dystopien, die ich jemals gelesen habe. Man könnte dieses Buch als in sich geschlossen betrachten, doch nun erscheint auf Englisch nach einer fünfjährigen Pause der zweite Band „Unwholly“ und ich hoffe wirklich sehr, dass die deutsche Übersetzung nicht allzu lange auf sich warten lässt, denn ich möchte noch viel mehr über die Umwandlung und die Umstände, unter denen diese eingeführt wurde, erfahren. Fazit Eine sagenhafte Dystopie, die einen bei jeder gelesenen Seite zum Nachdenken anregt. Neal Shusterman weiß scheinbar, wie man es schafft, seine Leser in den Bann zu ziehen und ihnen eine schockierende Zukunftsvision zu präsentieren, die es hoffentlich in einer solchen Form niemals und nirgends auf der Welt geben wird. Düster, packend, erschreckend - Nicht nur für Fans des Genres ein Muss, sondern für absolut Jedermann!

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