Profilbild von thursdaynext

thursdaynext

Posted on 3.2.2020

Record of a spaceborn few „Sorge dafür, dass die Menschen nichts vergessen. Ruf ihnen in Erinnerung, dass ein geschlossenes System ein geschlossenes System ist, auch wenn die Grenzen nicht sichtbar sind.“ Teil 3 des Wayfareruniversums (möge es bitte niemals enden!) ist wieder einmal großartig. Es knüpft an die vorigen Romane an, ist dabei wieder anders und doch ähnlich in der detailreichen, liebevoll intelligenten und emotionalen Erzählung einer Gesellschaft, die sich verändert. Becky Chambers schreibt wunderbare, weise Romane unter dem Genre Science Fiction, die zwar in einer von vielen möglichen möglichen zukünftigen Welten der Menschheit spielen, aber doch so tiefgehend und gesellschaftlich betrachtet extrem spannend sind, dass sie das Genre im besten Sinne deutlich erweitert. Wieder einmal ist der Originaltitel Record of a Spaceborn Few aussagekräftiger als jener der vorliegenden deutschen Ausgabe. Bericht von einigen im Raum Geborenen klingt bloß blöde in der Übersetzung, deshalb hadere ich auch nicht so sehr mit dem eingedeutschten Titel. Von der ausgeplünderten erschöpften Erde haben sich viele Menschen vor hunderten von Jahren in Wohnschiffen aufgemacht um neue bewohnbare Planeten zu finden. Etlichen ist es gelungen, viele bewohnen aber immer noch und aus Überzeugung die Wohnschiffe die als Menschheitsarchen konzipiert waren. Eine ganz eigene Gesellschaftsstruktur hat sich auf diesen Schiffen entwickelt, von den Begräbnissitten bis zur Ressourcenverwendung und dem ewigen Kreislauf des Recyclings bis zur Art des Zusammenwohnens. Und ja, es gibt Insektenburger *G*. Chambers lässt die Leser*innen teilhaben am Leben auf diesen „Archen“, zeigt es aus verschiedensten Perspektiven, unter anderem aus der eines Teenagers und einer Alienwissenschaftlerin aus den Weiten der Galaktischen Union. Die Wohnschiffe müssen permanent gewartet werden, sie sind alt, und so kommt es zu einer Katastrophe, die viele Menschenleben kostet und die Bevölkerung der übrigen Schiffe stark verunsichert. Ein Planetarier wird getötet, die Währung der Archenbewohner der Tauschhandel der bisher immer gut funktionierte steht auf dem Prüfstand, da durch die „Credits“ die beim Handel mit der GU vermehrt genutzt werden, die Gleichwertigkeit innerhalb der Gesellschaft in Frage gestellt wird. Die einen wollen sich öffnen für Neues, die anderen bewahren und so ist das Buch auch politisch sehr aktuell. Neben Chambers warmen Humor sind viele Highlights zu finden und sie hat auch diesen Roman wieder dicht verwoben, detailreich und komplex stellt sie die Fragen in den Raum, die jede Gesellschaft, jedes Individuum immer wieder für sich neu bearbeiten muss. Weiterentwicklung oder Stillstand oder gar Regression? Egal welcher Weg gewählt wird es muss einen gesellschaftlichen Diskurs geben und dieser hat Auswirkungen auf alles und alle. Dabei fehlt es nicht an den Zutaten für eine gute Space Opera, auch wenn diese weniger märchenhaft, dafür realistisch und ausgefeilter daherkommt. Es gibt Technik, Raumschiffe, außerirdische Lebensformen und normale Menschen mit normalen Jobs und Lebensfragen, die auch in der Zukunft gelöst werden müssen. Chambers zu lesen ist und bleibt ein anregendes Abenteuer in einer Zukunft, die nicht so dunkel ist, wie sie uns manchmal erscheint. Zukunft mit Hoffnung verknüpft, irgendwann ist uns das verlorenen gegangen und Chambers macht Mut umzudenken. Menschlich und technisch wären wir dazu in der Lage.

zurück nach oben