Lena von fuddelknuddels Bücherregal
„Nora Winter hat Angst vor Büchern, und das aus gutem Grund: Sobald Nora anfängt zu lesen, fällt sie mitten hinein in die Handlung des Buches und muss die Geschichte am eigenen Leib erleben. Sie hofft, das Problem mithilfe des Hypnosetherapeuten Ben in den Griff zu bekommen, aber natürlich gerät sie jetzt erst recht in Schwierigkeiten. Denn diesmal wird nicht nur Nora in die Handlung hineingezogen, sondern der Therapeut gleich mit. Gegen ihren Willen landen die beiden in einer Welt voller Intrigen, die eigentlich nicht existieren dürfte – zwischen Rittern, Magiern und vorlauten Drachen. Es gibt nur einen Weg zurück: Sie müssen die Geschichte bis zum Ende durchstehen.“ Das sprichwörtliche Eintauchen in die Geschichte kennt vermutlich jeder begeisterte Leser nur zu gut. Man wünscht sich nicht selten, genau dieser oder jenen Figur einmal leibhaftig zu begegnen, einen bestimmten Schauplatz oder gleich eine ganze Welt live betrachten und erleben zu können. Allerdings ist man am Ende doch vielleicht ganz froh, wenn man in einer Fehde nicht zwischen die Fronten gerät und den Monstern und zwielichtigen Gestalten aus dem Weg gehen kann. Nora lebt den (Alb-)Traum jedes Lesers, sie taucht nämlich tatsächlich beim Lesen in die Bücher ein, so lange bis entsprechendes Buch wieder geschlossen wird. Eine faszinierende und zugleich erschreckende Fähigkeit finden sich geschriebene Worte doch an allen Ecken und Enden. Mir erschien die Vorstellung jedoch unglaublich spannend und so freute ich mich riesig auf die Geschichte. Ben und Nora stehen abwechselnd im Fokus der Erzählung, interessanter wird das jedoch erst an dem Punkt der Handlung, an dem sie sich räumlich trennen und man so Blicke an mehrere Orte erhaschen kann. Zudem habe ich mit der Zeit zunehmende Sympathien für Nora entwickelt und konnte mich immer mehr in sie hineinfühlen, wohingegen Ben mir immer mehr gegen den Strich ging und am Ende der Story dann komplett unten durch war. Der scheinbar harmlose, nörgelige Psychiater hat noch die ein oder andere Überraschung auf Lager, mit der ich zu Beginn des Buches nie gerechnet hätte. Normalerweise weiß ich den Charakter von Figuren recht gut einzuschätzen, aber Bens wahre Persönlichkeit offenbarte er erst später, als ich ihn schon als mitleiderregenden Schwächling abgestempelt hatte. Nora hingegen war mir zu Anfang noch viel zu panisch und hektisch, erst im Laufe der Geschichte taut sie auf und findet sich mit ihrem Dilemma ab, entdeckt sogar die ein oder anderen positiven Aspekte an ihrer ungewollten Reise ins Unbekannte. Der Schreibstil der Autorin ist unglaublich angenehm und leicht, sodass es mich nicht mal gewurmt hat, dass nicht aus der Ich-Perspektive geschrieben wurde, was ich ansonsten eigentlich deutlich bevorzuge. Ich mochte das Buch beim Lesen gar nicht unterbrechen, da ich mich genau wie Nora, je weiter die Geschichte fortschritt, immer mehr mit den Figuren und Wesen der fremdartigen Welt angefreundet habe. Was mir ebenfalls gut gefallen hat, war, dass die Figuren in der Geschichte, in die Nora und Ben hineinfallen, nicht das sind, was sie laut Ben zu sein schienen. Er erlebte die Charaktere der Beteiligten beim Lesen ganz anders, als die in „Wirklichkeit“ waren. Die hilflose Prinzessin war gar nicht so hilflos, der böse Zauberer gar nicht so böse und der naive, dümmliche Soldat nicht annähernd so naiv und dümmlich wie gedacht. Dazu kommt, dass Nora und Ben mit ihrem Auftauchen die Geschichte des Buches verändern, denken sie zumindest. Erst später wird ihnen bewusst, wie stark sie tatsächlich in der Klemme stecken. Mein Fazit: Ich kann die Fortsetzung kaum erwarten! Das Buch war spannend, hatte zauberhafte Schauplätze, einen wohl dosierten Mix aus liebens- und hassenswerten Figuren und war wunderbar flüssig geschrieben. Jeder, der Fantasy mit einer Prise Liebe und Humor mag, kommt hier auf seine Kosten. Das Worldbuilding war zwar nicht hochkomplex, aber das hatte ich auch nicht erwartet. 4,5 von 5 Sternen gibt es von mir.