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daslesendesatzzeichen

Posted on 3.2.2020

Das Buch heißt „Das Glück der kleinen Gesten“ und ist im Edel books Verlag erschienen, einem Hamburger Verlag, der mich in letzter Zeit immer mehr begeistert, habe ich doch innerhalb kürzester Zeit drei wirklich gute Bücher gelesen, die der Verlag herausbringt: „Der Elbschlosskeller“, „Vom Glück einen Vogel am Gesang zu erkennen“ und nun das oben genannte. Die Berlinerin Chantal Sandjon und die Schweizerin Melanie Alexander taten sich zusammen, um ein Projekt zu verwirklichen, das ihnen sehr am Herzen liegt, mit dem Kerninhalt, der positiven Grundeinstellung im Leben mehr Raum zu geben, der Intuition mehr zu vertrauen, die uns oft ganz impulsiv und natürlich zu freundlichen, netten Reaktionen verleiten will, die wir aber sehr oft unterdrücken. Oft ganz simpel aus Angst vor der (positiven, aber vielleicht überwältigenden) Kettenreaktion, die losgetreten werden könnte. Man kann manchmal nicht aus seiner Haut! Die beiden laden nun ein, sich zu trauen, dem mutigen, freundlichen Impuls zu vertrauen: Step outside your comfort zone, at least once a day, predigte schon die Autorin Isabel Losada meines Lieblingsbuches von vor zwanzig Jahren „The Battersea Park Road to Enlightenment“. Genau das ist auch hier gefragt: Mut im Alltag! Warum zum Beispiel nicht einfach mal der alten Nachbarin, der das Obst an ihren Bäumen verfault, ungefragt den Vorschlag machen, die Äpfel für sie von den Ästen zu pflücken? „Random acts of kindness“ nennen die beiden etwas hochtrabend das schlichte Prinzip, aus dem Bauchgefühl heraus Gutes zu tun. Sie erklären, dass sie diese Liebenswürdigkeiten dann so nennen, wenn sie aus dem Zufallsprinzip heraus auch an Fremden praktiziert wird. Also wenn man aus der Situation heraus im Alltag ungeplant einfach mal was Gutes tut. Tatsächlich kann ich hierzu eine eigene Erfahrung zum besten geben: Als ich wenige Tage vor Weihnachten mit einer fetten Erkältung im heillosen Trubel Einkaufen war, war ich extrem genervt von allem, als ich mich schließlich auch noch an der Kasse in die viel zu lange Schlange einreihen musste. Den hinter mir nervös von links nach rechts tänzelnden Typen versuchte ich zu ignorieren, Gott, wie der mir auf den Wecker ging! Als ich endlich dran war und meine Waren auf das Fließband legte, hörte ich den Nervi lautstark schnauben, weil es gar so viel war, was ich im Wagen hatte. Ich merkte, wie mir die Hitze den Hals hoch kroch, wie ich ungehalten wurde. Aber irgendetwas in mir dachte sich: Du könntest ihn ja dennoch vorlassen. Aus Trotz. Dann sieht er mal, dass ich gar nicht doof bin, nur weil mein Wagen voll ist und er hinter mir steht. Also holte ich tief Luft und versuchte freundlich zu bleiben: „Möchten Sie vielleicht vorgehen? Sie haben ja nur so wenig.“ Und siehe da, ihm entglitten die Gesichtszüge, damit hatte er wirklich nicht gerechnet und plötzlich drehte sich die gesamte Situation: Er strahlte mich an und sagte: „Das wäre mega, meine Kumpels stehen nämlich draußen im Parkverbot und hätten mir die Hölle heiß gemacht, wenn es noch viel länger gedauert hätte. Tausend Dank!“. Meine ganze Wut fiel in sich zusammen und stattdessen breitete sich ein warmes, wohliges Gefühl der Verbundenheit in mir aus und ich strahlte fröhlich durch meine glasigen Erkältungsaugen über meiner roten Rotznase zurück. Lustig, wie man sich in jeder noch so bekloppten Situation doch wieder für das Gute entscheiden kann – und die bessere Laune kriegt man dann als Dreingabe noch geschenkt 👍🎁. Ich bin zwar kein Fan von Challenges, aber ich finde die Idee von Frau Sandjon und Frau Alexander brillant, sich einfach mal das Ziel zu stecken, in der nächsten Zeit auf einer regelmäßigen Basis Gutes zu tun. Versuchsweise 😉. Natürlich kommt einem das normale Leben dazwischen und nicht jeden Tag wird man die Möglichkeit oder innere Einstellung haben, Platz für eine gute Geste zu machen. Aber man kann sich das Ziel stecken, das einmal pro Woche zu machen oder jedes Wochenende. Man kann Freunden Gutes tun oder, ganz spontan, Fremden. Aber Obacht! Damit ist nicht der Klassiker gemeint, der alten Oma über die Straße zu helfen, die da gar nicht hin will. Es geht vielmehr darum, zu beobachten und zu bemerken, was die Menschen um uns herum brauchen, was ihnen weiterhelfen könnte. Der einleitende Teil des Buches ist sehr nett und inspirierend, immer wechseln sich Chantal und Melanie ab und kennzeichnen auch, welcher Abschnitt von wem stammt. Ergebnisse wissenschaftliche Studien belegen, was die beiden eh schon selbst fühlen und Aussagen professioneller Experten untermauern die Thesen der „Glücksbotinnen“. Der zweite Teil des Buches ist der Praxis gewidmet, in ihm stellen die Autorinnen 34 konkrete Momente vor, in denen sie oder andere Glücksbringer selbst aktiv wurden. Sie beschreiben, wie es im Alltag zu besagter Situation kam, wie viel Aufwand sie benötige und wie viele Kosten sie verursachte (meist wenig oder gar keine). Report this ad Report this ad Das macht so viel Freude, darüber zu lesen, wie sich diese Leute für andere entscheiden, für spontane Ideen, Gesten, Freundlichkeiten, man möchte sofort aufspringen und mitmachen! 👍 Ideen sind zum Beispiel: Müll im Park umme Ecke aufräumen, dabei gute Musik hören und gute Laune versprühen; der traurigen Verkäuferin ein Kärtchen zur Aufmunterung zu schenken; einer gesprächsbedürftigen Omi im Café ein Ohr zu schenken, der halbtoten Pflanze im Treppenhaus neue Erde und einen größeren Topf. So leicht können kleine Glücksgesten sein. Minimaler Aufwand, maximale Freude! Das Büchlein passt ganz wunderbar in die „ruhige“ Weihnachts- und Winterzeit, in der man sich auch mal mehr auf das soziale Miteinander besinnt, mehr Zeit zu Hause mit einem guten Buch verbringt und traditionell dazu neigt, neue Vorsätze zu fassen. Hübsch illustriert mit zu Herzen gehendem Inhalt verbindet sich das Büchlein zu einem formschönen Begleiter fürs ganze Leben, immer zur Stelle und bereit, einen zu unterstützen, wenn man im tristen Morast des Alltags zu versinken droht. Unbedingte Kaufempfehlung für alle pragmatischen Weltverbesserer, die nicht die große Bühne brauchen, sondern denen das reale Leben als Spielraum reicht!

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