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Gabriele

Posted on 2.2.2020

Plötzlich allein auf der Welt Klappentext: „Eine Frau wacht eines Morgens in einer Jagdhütte in den Bergen auf und findet sich eingeschlossen von einer unsichtbaren Wand, hinter der kein Leben mehr existiert.“ Dieser tagebuchartige „Bericht“ hat mich von der ersten Zeile an gefangen genommen. Er beginnt relativ harmlos. Man sieht die Situation direkt vor sich und kann sich gut in die namenlose Frau hinein versetzen. Außerhalb der Wand regt sich nichts mehr. Anfangs besteht noch die vage Hoffnung, dass nur das Tal, in dem die Jagdhütte liegt, betroffen ist und „die Welt außerhalb“ sie befreien könnte. Doch schnell realisiert sie, dass sie die Tage nur überleben kann, wenn sie sich ganz still verhält: „Je weniger ich mich wehrte, desto erträglicher würde es sein“ (Seite 27). So ein Aufenthalt in einer einsamen Jagdhütte in den Bergen könnte einem schönen Traum gleichen, solange man die Einsamkeit bewusst gewählt hat. Doch was so ein unerwarteter Abschluss von jeglicher Gemeinschaft mit anderen Menschen bedeutet, erfährt man hier im Buch. Da geht es ums reine Überleben und jedes Tier, das zu einem stößt, ist ein echter Freund. Ein Name sei nur wichtig, solange ihn jemand ausspricht – schreibt die namenlose Frau auf die Blätter, die sie im Jagdhaus gefunden hat. Sie gibt den sie umgebenden Tieren Namen, beobachtet sie sehr genau und arbeitet deren Charaktere treffend heraus. Sie kümmert sich rührend um diese Weggefährten, die man als Leser sofort ins Herz schließt. Sie arbeitet bis zum Umfallen und man wundert sich, wie sie das alles schafft. Auch wenn auf manchen Seiten nicht viel geschieht, wird das Buch niemals langweilig. Ganz im Gegenteil, mir hat es große Freude bereitet, die Protagonistin zu begleiten, zu sehen, was alles zum Überlebenskampf gehört und gleichzeitig das Gefühl zu haben, selbst der Natur ganz nah zu sein. Das Nachwort geht auf das Leben der 1920 geborenen Autorin ein. Darin wird klar, wie schwer ihr das Sein als Ehefrau und Mutter gefallen war. Statt sich ihrer Berufung, dem Schreiben, hinzugeben, musste sie sich dem Alltag stellen. Darauf weisen dann auch Sätze aus diesem Buch hin: „Vielleicht war die Wand auch nur der letzte verzweifelte Versuch eines gequälten Menschen, der ausbrechen musste, ausbrechen oder wahnsinnig werden“ oder „Wenn man schon in der Sklaverei lebt, ist es wichtig, sich an die Vorschriften zu halten und den Herrn nicht zu verstimmen.“ Marlen Haushofer, die sich mit dem Schreiben "selber eine Freude bereitete", starb am 21. März 1970 im Alter von fünfzig Jahren an Krebs.

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