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Sarang

Posted on 2.2.2020

Für einen Abbruch war es ohnehin zu spät […] Sie hatten gewusst, dass es Opfer geben würde. Viele Opfer. […] Jetzt aufzugeben hieße, wieder klein beizugeben. Wieder den anderen die Räume des Handelns und der Interpretation zu überlassen. Dieser Gesellschaft, die vom Geld besessen war und von Macht, von der Ordnung und der Produktivität und der Effizienz, vom Konsum, von der Unterhaltung und vom Ego und davon, wie sie möglichst viel von allem an sich reißen konnte. Für die Menschen nicht zählten, nur Profitmaximierung. Für die Gemeinschaft nur ein Kostenfaktor war. Umwelt eine Ressource. Effizienz ein Gebet, Ordnung ihr Schrein und das Ego ihr Gott. Nein, sie konnten jetzt nicht aufhören.                                                                                 S. 323 Der Inhalt: Blackout: Ein Totalausfall. Die Energieversorgung gerät aus dem Gleichgewicht und plötzlich ist von jetzt auf gleich der ganze Stromhaushalt in Europa zusammengebrochen. Schlimmer noch, es will einfach nicht gelingen, die Atomkraftwerke, Turbinen und ganzen Stromerzeuger wieder hochzufahren und ans Netz zu bringen. Niemand glaubt Piero Manzano, als er die Ursache für den plötzlichen Stromausfall herausfindet. Als ehemaliger Hacker und nicht immer vorbildlicher Staatsbürger Italiens, stößt er auf taube Ohren. Doch gerade aufgrund seiner Vergangenheit, ist er mit als Einziges dazu in der Lage, die Zeichen zu lesen und richtig zu deuten. Wird er die Welt rechtzeitig retten können, wenn sie ohne Strom im totalen Chaos versinkt? Ein Roman, der bestechend gut aufgebaut und gegliedert, für ein flottes Lesetempo sorgt „Blackout – Morgen ist es zu spät“ von Marc Elsberg schildert ein „Was-wäre-wenn-Szenario“, das mit einem Europa ohne Stromversorgung spielt und das über einen längeren Zeitraum. Dafür verwendet der Autor mehrere Perspektiven, beispielsweise die eines Hackers, der gleichzeitig der Protagonist ist, parallel werden die Bemühungen der Regierungen dargelegt, während (seltener) die Verursacher der Stromkrise aus dem anonymen Raum zu Wort kommen. Das hat zur Folge, dass der Autor seinen LeserInnen einen breiten Rundumblick gewährt, der den Inhalt zum einen stichfester wirken lässt und es zum anderen vereinfacht, sich in die Geschehnisse hineinzufinden, denn so ist ein größeres Identifikationspotenzial vorhanden. Die Verflechtungen der einzelnen Sichtweisen und Charaktere untereinander nimmt mit fortschreitender Handlung zu und wertet das Buch sehr auf, da nicht nur der Stromausfall alleine im Fokus steht, sondern auch den einzelnen Schicksalen eine große Bedeutung zugesprochen wird. Gegliedert ist dieser Roman in Tage, was ebenfalls einen guten Überblick verschafft und dafür Sorge trägt, die Geschehnisse als LeserIn in einem zeitlichen Rahmen einzuordnen. Durch die ständig wechselnden Perspektiven, die über den ganzen Globus innerhalb Europas verstreut liegen, entsteht - gerade zu Beginn und gen Ende hin - ein unglaubliches Tempo, das die LeserInnen drängt, immer weiter, weiter und weiter zu lesen. Ebenso dicht und erschreckend realistisch ist das von Marc Elsberg gezeichnete Szenario. Es ist gar nicht so schwer zu erreichen und scheint nach den jüngsten Ereignissen (Fukushima etc.) auch immer weniger abwegig. Die Auflösung des Romans transportiert eine wertvolle Botschaft und glänzt - abgesehen von dem einen oder anderen überflüssigen Kapitel - auf höchster Ebene. Das Nachwort des Autors war ebenso gut, wie aufklärend und nötig, um dieses packende und erschreckende Buch verarbeiten zu können und hat mir geholfen, über den einen oder anderen Makel großzügiger hinwegzusehen. Im Mittelteil leidet „Blackout – Morgen ist es zu spät“ an Tempoverlusten und tritt inhaltlich eine Weile auf der Stelle Ein größerer Makel ist beispielsweise der Mittelteil, der in meinen Augen viel an Brisanz verlor und das Lesen sehr erschwerte. Die Handlung wurde zu sehr gedehnt und hätte einige Kürzungen ruhig vertragen können, denn es mag zwar die Authentizität wahren, zu beschreiben, wie sich die verschiedensten Institutionen im Kreis drehen; allerdings ist es letztlich doch immer nur dasselbe oder ähnliches. So liegt der Fokus gerade in der besagten Mitte sehr darauf herauszufinden, wo der Fehler im Stromzusammenbruch liegt und auch das ist ein Prozedere, was ich mir weniger ausführlich gewünscht hätte. So ist es doch unter Umständen wesentlich interessanter, die Motivation der Täter zu erfahren oder die Fäden in dieser Richtung rechtzeitig zu weben. Gelegentliche Kapitel aus Tätersicht sorgten immer mal wieder für die Andeutung eines solchen Fadens, den Marc Elsberg aber immer wieder einreißen lies. Der „heroische“ Protagonist und eine erwachsenere Zielgruppe Der Protagonist füllt seine Rolle gut und ausreichend aus, wird an manchen Stellen aber sehr glorifiziert und zu sehr als klassischer bzw. „moderner Held“ gefeiert, was auf ein sonst so klischeefreies und robustes Werk eher weniger passen mag. „Blackout – Morgen ist es zu spät“ ist eher für Ältere geeignet. Jüngere können es zwar lesen, allerdings setzt diese Lektüre gewisse Fachkenntnisse und Begrifflichkeiten voraus, die man einfach erst ab einem bestimmten Alter intus haben kann. Wenn einem diese Begriffe fehlen, versteht man nur die Hälfte, es wird viel von der Atmosphäre eingebüßt und das stelle ich mir bei 800 Seiten recht langweilig vor. Gemäß des obigen Zitates ist es für mich aber am Schockierendsten festzustellen, dass ich z.T sogar Sympathien gegenüber den Überzeugungen der Täter hegte, den es ist verständlich, dass diese etwas an der herrschenden Ordnung verändern möchten.  Mein endgültiges Urteil: Marc Elsberg hat einen sehr empfehlenswerten Thriller kreiert, der mich hoch beeindruckt hat und einmal mehr beweist, dass unser System brüchiger ist, als man manchmal wahrhaben oder glauben möchte. Ich kann dieses rasante Leseabenteuer sehr empfehlen, auch denjenigen, die langsamer und weniger lesen.  Wer auf den ersten Seiten von „Blackout – Morgen ist es zu spät“ gepackt wird, erleidet quasi einen „Blackout“ und muss sich ganz schnell durch die Seiten kämpfen, um die vielen Facetten und Informationen so schnell wie möglich in sich aufzunehmen. Außerdem regt es stark zum Nachdenken an und vielleicht beginnt man für sich selbst Vorkehrungen zu treffen, die niemals schaden, sondern im Extremfall nur nützen können. Ein solides Buch, das genau den richtigen Punkt in unserer Zeit getroffen hat und damit sehr gekonnt und geschickt an einigen Stellen gerechtfertigte Kritik ausübt!

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