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Simone Scamander

Posted on 1.2.2020

Inhalt: Tamar sitzt in der Jugendpsychiatrie. Ihre Freundin Iris ist tot - und Tamar kann nicht darüber reden. Das Monster lässt sie nicht. Doch das, was geschehen ist, lässt sich nicht ungeschehen machen. Also, Tamar: Wie fühlst du dich - auf einer Skala von 1 bis 10? Meinung: "Auf einer Skala von 1 bis 10" ist der erste Roman, den ich je gesehen habe, der eine deutliche Triggerwarnung direkt über dem Preiscode platziert bekommen hat. Vor "Selbstverletzung und suizidalem Verhalten" warnt der Rückentext, der "für die dramatischen Ausmaße psychischer Krankheiten" sensibilisieren soll. Und im Grunde ist damit auch schon alles gesagt, was man vor dem Lesen wissen sollte. Denn genau das wird beschrieben, und genau das tut es. Dieses Buch ist nichts für schwache Nerven. Es ist schonungslos, auf brutale Weise authentisch und in wenigen, aber dennoch einigen Szenen derart explizit, dass ich die Triggerwarnung an dieser Stelle noch einmal unterstreichen möchte, und das auch über die bereits erwähnten Themen hinaus. Wer sich generell viel mit Mental Health beschäftigt und vielleicht auch selbst mit psychischen Krankheiten zu kämpfen hat, sollte "Auf einer Skala von 1 bis 10" mit Vorsicht genießen. Dass ich so ausdrücklich vor diesem Buch warne, macht es nicht weniger wichtig, nicht weniger wahr. Denn Ceylan Scott ist eine junge Autorin, die ganz genau weiß, wovon sie schreibt. Auch wenn die Handlung und die Charaktere fiktiv sind, haben die Figuren viel mit Ceylans eigener Geschichte gemein. Auch sie kämpft, kennt psychiatrische Einrichtungen und diverse therapeutische Maßnahmen. Dieses Hintergrundwissen hat sicherlich auch meinen Blick auf die Geschichte geprägt, weshalb ich an dieser Stelle bereits vorweg nehmen möchte: Eine Beurteilung kann und will ich überhaupt nicht aussprechen. Dafür ist dieses Buch zu persönlich, und ich zu wenig involviert. Aber ich möchte trotzdem betonen, wie sehr mich "Auf einer Skala von 1 bis 10" berührt hat. Wie weh es mir getan hat, wie stark ich besonders an einer bestimmten Szene schlucken musste. Fast hätte ich das Buch sogar beiseite gelegt, weil es mir zu sehr zugesetzt hat und ich das mulmige Gefühl bekam, mit so viel Intensität nicht umgehen zu können. Obwohl ich von mir behaupte, mich nicht leicht triggern zu lassen, hat mir dieser Roman den Hals zugeschnürt. Gerade für Außenstehende kann Ceylan Scotts Debütroman trotz der düsteren Themen erhellend sein und einen starken, ehrlichen Einblick in die Psyche geben. Dafür muss man sich auf Tamars Geschichte jedoch auch in gewisser Weise einlassen. Der Schreibstil ist speziell und war für mich gerade zu Beginn eher abschreckend. Auch die Charaktere sind schwer zu greifen, aber gerade das hat das Buch für mich so realistisch gemacht. Alles an "Auf einer Skala von 1 bis 10" hat sich wahr angefühlt. Schwer, fordernd, beklemmend - aber trotzdem wahr. Ich habe Ceylan Scott jedes geschriebene Wort geglaut - bis die letzten Kapitel und das Ende der Geschichte auf mich einprassten. Ohne zu sehr ins Detail gehen zu wollen, fühlten sich die letzten geschilderten Ereignisse irgendwie ... falsch an. Gehetzt. Als würden sie nicht zum Rest passen oder passen wollen. Aber das ist natürlich nur mein persönliches Empfinden, und das ist ehrlicherweise auch von der Tatsache beeinflusst, dass sich auf den letzten Seiten leider nur ein unkommentiertes Hilfsangebot für Jugendliche findet. Ich hätte mir generell noch ein paar offene Worte außerhalb der Geschichte gewünscht. Ob ich mit dem Ende nun "zufrieden" bin oder nicht, das sei mal dahingestellt. Es macht "Auf einer Skala von 1 bis 10" für mich nicht weniger lesenswert, nicht weniger empfehlenswert. Aber es zeigt mir noch deutlicher, wie stark ich die Triggerwarnung betonen möchte. Das Buch MUSS euch nicht triggern, aber es KÖNNTE. Also: Lest es, aber akzeptiert eure Grenzen. Und passt auf euch auf.

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