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Sarang

Posted on 1.2.2020

In meinem Kopf war nichts als Panik. Emma hatte eine Hand an ihre Brust gelegt, als wollte sie die Finger zwischen ihre Rippen stoßen, um sich das hämmernde Herz herauszureißen. In mir keimte der fatale Gedanke, dass es womöglich besser wäre, einfach stehen zu bleiben und jede Anstrengung zu vermeiden. -S. 41 »Der Inhalt« Rain liebt ihre jüngere Schwester Emma mehr als alles andere auf der Welt. Umso größer sind die Selbstvorwürfe, dass sie Emma vor einiger Zeit nach dem Tod ihrer Eltern für einen Selbstfindungstrip nach Afrika im Stich gelassen hat. Wieder in der Heimat trägt sie ein Afrika-Trauma davon und leidet unter einer ausgewachsenen Phobie; die nicht gerade hilfreich ist, als sie sich in der spanischen Wüste befinden, um den Flugzeugabsturzort ihrer Eltern aufzusuchen und auf die Geister ihrer verstorbenen Eltern zu warten. Die Geister sind für die Menschen inzwischen schon etwas Gewohntes geworden, doch als sie den Geistern ihrer Eltern gegenüber stehen und diese – so wie alle anderen auch – plötzlich zu lächeln beginnen, merken sie, dass nichts tödlicher sein kann, als das Lächeln dieser ansonsten nicht greifbaren Geister. »Eine blinde Achterbahnfahrt« „Phantasmen“ wartet auf mit einer wilden Achterbahnfahrt. Einer Achterbahnfahrt, die ich als Leserin blind begehe. Seicht fährt sie an in der trockenen und staubigen Wüste Almarías und gibt sich schon bald einem steilen Spannungsbogen hin, der kurvig (konstant die Spannung haltend !) nach unten fährt, nach rechts und links ausschert und nie weiß ich als Leserin, in welche todeslastigen Themen und Fahrwasser wir uns noch so hinbewegen. Kai Meyer baut seine Story auf einem religiösen Grundgerüst auf, was sicherlich nicht von Anfang an klar ist. Klar ist am Anfang nur, dass zwei Schwestern mit interessanten Hintergrundgeschichten und herausstechenden Persönlichkeiten in Almaría den Absturzort des Flugzeuges besuchen, in dem ihre Eltern verunglückt sind. Alles scheint normal, bis auf die Tatsache dieser Geister, die ich als normale Leserin schon leicht befremdlich fand. So langsam „Phantasmen“ auch anfährt, so rasant geht es weiter. Plötzlich sind da wilde Verfolgungsjagden und niemand weiß eigentlich genau, warum, wieso und weshalb. Jeder scheint auf vielen Seiten zu stehen oder am Ende doch nur auf der eigenen. Letztlich kämpfen aber doch wieder alle nur für ein Ziel, nämlich gegen die Geister, gegen die dennoch alle machtlos sind. »Überraschender Handlungsverlauf« „Phantasmen“ ist in viele Abschnitte unterteilt, deren Überschriften jeweils auf das vorbereitet, was im Folgenden kommen könnte. Ich schreibe 'könnte', weil ich teilweise andere Assoziationen hatte und dementsprechend überrascht war, wie sich der Handlungsverlauf gestaltete. »Immer diese Religiosität?« Mit detailliertem Einfallsreichtum setzt sich Kai Meyer durch seine Protagonisten mit der Thematik des Todes auseinander, welcher – wie zu Anfang bereits erwähnt – durchaus in einem religiösen Kontext gesehen werden kann. Seine Interpretation vom Jenseits oder auch der eines Gottes fand ich durchaus interessant und äußerst vielversprechend sowie anregend und flüssig zu lesen in der Geschichte integriert. Auch die Hypnose spielt in diesem Zusammenhang eine nicht unerhebliche Rolle. Nichtsdestotrotz hätte ich mir von der Auflösung mit den Lichtern am Ende des Tunnels mehr Tiefgang gewünscht. Bzw. eine noch tiefgehendere Auflösung in der Verknüpfung zwischen den Probanden, den Experimenten, dem Tod, den Geistern, der Religion und der Hypnose. Ihr versteht nur Bahnhof? - Dann LEST „Phantasmen“ ! ;) »Mein Fazit« Kai Meyer greift in „Phantasmen“ eine im Jugendbuchsektor nicht oft anzutreffende Thematik auf. Mit Herzklopfen, Dramatik und kühler Logik habe ich mich in den Seiten festgebissen und kann diese rasante Road-Trip-Story trotz kleiner Mängel allen Kai Meyer Fans, solche, die es werden wollen und actionbegeisterten LeserInnen empfehlen. Das wohl erste Mal in einer Geschichte, dass ein Lächeln nicht gerne gesehen wird...

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