Simone Scamander
Worum geht's? Violetta, rechtmäßige Erbin des Throns von Illyrien, und ihr treuer Narr Feste werden aus ihrer Heimat vertrieben, nachdem die Venezianer das Land eroberten. Zudem hat der selbstsüchtige Priester Malvolio eine heilige Reliquie gestohlen, mit der Violetta Illyrien wieder zu Recht, Ordnung und Frieden führen könnte. Fest entschlossen, die Reliquie zurückzugewinnen, treffen Violetta und Feste in London auf den jungen Schauspieler und Dichter William Shakespeare. Als Will die tragische Geschichte hört, entschließt er sich, den beiden zu helfen, und verstrickt sich damit unabwendbar in eine dramatische, blutige Familienfehde. Kaufgrund: Ich liebe historische Jugendromane. Angefangen hat dies mit Mary Hoopers Büchern. Beim weiteren Durchstöbern des Genres bin ich auf Celia Rees gestoßen, und ihr neuestes Buch, "Der Narr und das Mädchen" hat mich thematisch am meisten angesprochen. Meine Meinung: Die Geschichte wird aus zwei verschiedenen Blickwinkeln erzählt: Einmal gibt es die Hauptgeschichte, die im Jahre 1601 spielt und die drei Protagonisten William Shakespeare, Violetta und Feste auf der Suche nach der heiligen Reliquie begleitet. Zudem wird die Vergangenheit Illyriens rückblickend in die Hauptgeschichte eingebunden, indem Violetta und Feste Will von ihrer alten Heimat erzählen. Fast Kapitelweise wechselt also die Erzählperspektive zwischen einem außenstehenden Erzähler und den subjektiven Berichten von Violetta und Feste. "Der Narr und das Mädchen" beginnt sehr abrupt. Ohne Erklärungen oder Erläuterungen wird der Leser augenblicklich Violettas und Festes Flucht aus Illyrien geworfen. Anschließend befindet sich das Geschehen im London des Jahres 1601 und die drei Protagonisten treffen sich zum ersten Mal. Dieses ständige Hin und Her ist anfangs sehr verwirrend und es hat lange gebraucht, bis ich den kompletten Überblick über die Ereignisse besaß. Leider wurde dadurch der Lesefluss extrem gestört. Kaum kommt die Geschichte richtig in Fahrt, wird sie immer wieder durch Vorhersehbarkeit und unnötige Nebenereignisse, die die Handlung nicht voran bringen, abgebremst. Höhen und Tiefen des Buches wechseln sich quasi ab, wobei die positiven Momente nur knapp überwiegen. Der Roman endet letztendlich so, wie man es sich während des Lesens gedacht hat. Es gibt keine unerwarteten Wendungen oder Überraschungen, die der Handlung noch das gewisse Etwas verleihen würde. Schade, denn das Konzept der Geschichte, also die fiktive Entstehungsgeschichte von Shakespeares "Was ihr wollt", ist mehr als nur interessant. Die Charaktere sind die großen Stärken des Romans. Zumindest die drei Protagonisten, denn die Nebenfiguren des Romans gehen durch fehlende Tiefe in ihrer Fülle beinahe unter und man erfährt sehr wenig von ihnen. Im Gegensatz dazu stehen die Hauptcharaktere. William Shakespeare, genannt Will, ist zu Beginn des Romans ein kleiner, relativ unbekannter Dichter und Schauspieler, und mausert sich im Laufe des Geschehens zu einem königlichen Schriftsteller. Wahre Hintergrundinformationen, wie etwa sein Familienstand, wurden gut in die Geschichte eingebunden und hinterlassen niemals den Eindruck, als wolle die Autorin mit aller Macht realitätsnah bleiben. Auch das eingespielte Illyrien-Duo ist sehr schön gestaltet worden. Während Violetta sich den Leser mit ihrer emotionalen Art zum Freund macht, überzeugt Feste allein durch seinen geheimnisvollen Narren-Charakter, von dem man unbedingt mehr erfahren will. Er besitzt mit Abstand am meisten Tiefsinn und versteht trotz seines Narrendaseins nur selten Spaß; nämlich dann, wenn es um seinen Beruf geht, und der kommt dank des Abenteuers zu kurz. Mit ihrem Schreibstil kann die Autorin sehr viele Pluspunkte herausschlagen. Sie beschreibt die Charaktere, die Handlungen und die Umgebungen sehr bildhaft und detailliert, sodass man sich während des Lesens gerne einmal zurücklehnt und sich die Szenen vor dem inneren Auge erneut vorstellt. Besonders die Naturbeschreibungen laden zum Träumen ein. Cover: Auch wenn mir Mädchengesichter auf Covern noch immer nicht gefallen - wann gibt es endlich einen neuen Covertrend? -, so muss ich diesmal doch zugeben, dass zumindest das Model ausgesprochen gut gewählt wurde und sie Protagonistin Violetta so darstellt, wie ich sie mir selbst vorgestellt hätte. Die Verzierungen sind sehr hübsch anzusehen und passen super zum Rest des Covers. Fazit: "Der Narr und das Mädchen" ist ein interessanter Roman mit einigen Schwächen. Die Geschichte war mir an vielen Stellen zu langatmig, die Spannung fehlte und insgesamt gab es keine verblüffenden Überraschung. Die Handlung hat zwar viele Tiefen, aber glücklicherweise ein wenig mehr Höhen. Die Charaktere hingegen haben mir alle sehr gut gefallen! Es war toll, eine andere Seite von Shakespeare kennenzulernen, wenn auch nur eine fiktive. Kann man lesen, muss man nicht! Insgesamt vergebe ich 3 Lurche.