Simone Scamander
Worum geht's? Ivy glaubt seit ihrer frühsten Kindheit an Engel, da sie wie durch ein Wunder vor dem Ertrinken gerettet wurde. Mit den Jahren hat sich ihr Glaube immer tiefer in ihr verfestigt. Jedes Mal, wenn es Ivy schlecht erging, bat sie die Engel um Unterstützung - und erhielt sie auch! Nun setzt sie wieder einmal große Hoffnungen in die himmlischen Wesen, denn ihre Mutter hat neu geheiratet und zieht mit Ivy und ihrem kleinen Bruder Philip zu dem reichen Andrew und seinem Sohn Gregory. Weder Philip noch Ivy fühlen sich dort wohl, doch die Engel scheinen abermals Hilfe zu leisten: Die beiden treffen durch einen lustigen Zufall auf Tristan, einen Mitschüler Ivys, dem sie bisher nie Beachtung schenkte. Er wird zu Philips besten Freund und auch Ivy fühlt sich mehr und mehr zu ihm hingezogen. Schließlich werden sie ein Paar und genießen jede Minute miteinander. Das junge Glück wird jäh zerstört, als die beiden in einen Unfall verwickelt werden, den Tristan nicht überlebt. Ivy ist am Boden zerstört und verliert augenblicklich ihr Vertrauen in die Engel, ohne dabei zu ahnen, dass sie so ihre letzte Verbindung zu Tristan unterbricht - denn er ist zu einem jener Wesen geworden, an die er selbst niemals glauben wollte. Kaufgrund: Ich komme an keiner neuen Serie des Genres vorbei; daher ist es kein Wunder, dass auch "Kissed by an Angel" in meine Hände fiel. Der Klappentext lockte mich mit einer emotionalen, zugleich auch spannungsgeladenen Geschichte. Voller Neugier begann ich zu lesen. Meine Meinung: Chandler beginnt ihren Start in die Reihe um Ivy und Tristan mit einem vorwegnehmenden Prolog, indem der für Tristan tödliche Autounfall beschrieben wird. Anschließend macht die Autorin einen Sprung in die Vergangenheit, in eine Zeit, in der Ivy und Tristan sich noch nicht kannten. Dieser Rückblick ist geschickt eingesetzt worden, um dem Leser Schritt für Schritt aufzuzeigen, wie aus den anfangs völlig Fremden das glückliche und liebende Paar werden wird. Erst durch die gemeinsame Entwicklung der beiden, wie zum Beispiel Ivys Traumabewältigung, kann der Leser verstehen, wie die Teenager eine so intime und enge Bindung zueinander aufbauen konnten. Es ist hier keine übliche "Wie geht es wohl weiter?"-Spannung, die dazu antreibt, den Roman weiterzulesen, sondern die pure Ungewissheit. Man schließt Ivy und Tristan ins Herz und bangt mit jeder Seite vor dem großen Unglück, das ihnen bevorsteht. Je näher das Ende kam, desto enttäuschter wurde ich. Nach Tristans Unfall war kaum etwas von den intensiven Gefühlen übrig geblieben. Tristans Part a la "Plötzlich Engel" hat mir gut gefallen, Ivy ist leider völlig durchgefallen. Es war nichts mehr von der Ivy zu spüren, die man vorher kennengelernt hat. "Natürlich nicht!", werden sich viele denken. "Sie trauert ja auch!" - Ja, das tut sie zwar, aber der Leser bekommt von diesem großen Schmerz kaum etwas mit! Insgesamt hat Chandler sich für das Ende viel zu wenig Zeit genommen. An dieser Stelle muss ich auch den Klappentext kritisieren, der von Tristans "himmlischen Auftrag" spricht. In dem Roman wird niemals erwähnt, dass die Suche nach einem Mörder seine Aufgabe sein soll. Außerdem kommt Tristan erst während der letzten Seiten der Gedanke, dass der Autounfall kein Zufall sein könnte. Die Liebesgeschichte zwischen Ivy und Tristan ist an einigen Stellen zu schmalzig, beinahe schon gefühlsüberladen! Trotzdem kann man sie insgesamt nicht als kitschig bezeichnen. Es gibt sehr viele Momente zwischen den beiden Liebenden, die tief in ihre Gefühle greifen. Besonders bewegend sind die Szenen, in denen Tristan Ivy hilft, ihre Angst vor dem Wasser und somit ein echtes Kindheitstrauma zu bewältigen. Für Lovestory-Fans, die gerne mitschwärmen und -seufzen, ist "Kissed by an Angel" ein wahrer Genuss. Sowohl Haupt- als auch Nebencharaktere fallen oftmals in ein genretypisches und klischeehaftes Bild. Ivy ist die zurückhaltende und intelligente Schönheit, Tristan der liebenswerte Gentleman, der von allen umschwärmt wird, Ivys beste Freundinnen Suzanne und Beth sind für die Verkupplungsaktionen verantwortlich, usw. Bei Ivy und Tristan ist es die berührende Liebesgeschichte, die die beiden zu etwas besonderem macht. Die Nebenfiguren jedoch blieben wir während des gesamten Romans zu flach und zu oberflächlich. Einige von ihnen zeigen deutliches ungenutztes Potenzial, wie etwa Gregory und Beth. Ich bin mir aber sicher, dass die Autorin in den nächsten Bänden näher auf sie eingehen wird und in "Kissed by an Angel" erst einmal eine gute Grundlage aufbauen wollte. Dies ist ihr gelungen; meine Neugierde ist geweckt! Ich habe ein großes Problem mit Elizabeth Chandler, das sogar dafür verantwortlich ist, dass ich zwei ganze Lurche bei der Endbewertung abziehen muss. Sie scheint ein Talent dafür zu besitzen, genau die Momente, die man gerne genauer beschrieben hätte, kurz zu fassen oder sogar komplett zu streichen. In jedem Kapitel des Roman sind mir mindestens zwei solcher Stellen aufgefallen, deshalb möchte ich nur die zwei schwerwiegendsten nennen: Ivys Gefühle und Gedanken direkt nach dem Unfall werden nicht erwähnt und Tristans Beerdigung wird bloß in einem Satz thematisiert. Zuvor war die Beziehung so emotional und berührend, dass ich richtig mitfühlen konnte, doch von Ivys Trauer war nichts zu spüren; nicht zuletzt durch die fehlenden wichtigen Momente. Hier hat Chandler eine Menge falsch gemacht! Als kleinen Leckerbissen gibt zum Schluss einen Ausschnitt des Folgebandes, "Loved by an Angel", zu lesen. Ein tolles Extra, das nach dem Cliffhanger-Ende die Neugierde nur noch weiter steigert. Leider müssen wir es noch bis zum Oktober 2011 aushalten, bis wir die Fortsetzung lesen dürfen! Cover: Gefällt mir leider gar nicht. Das Gesicht sieht nicht nur gruselig aus - diese Augen! -, es gibt dem Buch bereits vor dem Lesen eine extrem düstere und böse Atmosphäre, die so gar nicht zum Inhalt passen mag. Fazit: "Kissed by an Angel" ist ein viel zu kurz geratener Auftakt einer neuen Reihe, die von der Idee her sehr viel zu bieten hat. Die emotionale und tragische Liebesbeziehung von Ivy und Tristan wurde von Chandler sehr berührend beschrieben, leider blieb mir der Rest der Geschichte an viel zu vielen Stellen zu oberflächlich und schwammig. Ich vergebe 3 Lurche für einen mittelmäßigen Start und hoffe sehr, dass die nächsten Teile der Serie besser werden. Ich werde die Reihe definitiv weiter verfolgen!