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Simone Scamander

Posted on 1.2.2020

Worum geht's? "Godspeed", der Name des Raumschiffs, bedeutet "Gute Reise". Obwohl Amy ihr Leben auf der Erde liebt, beschließt sie, sich mit ihren Eltern einfrieren zu lassen, um in 300 Jahren auf einem neuen Planeten wieder aufgetaut zu werden. Doch etwas geht schief: Sie wird 50 Jahre zu früh wiedererweckt und niemand weiß, wie das geschehen konnte! Schnell wird klar, dass es sich nicht um einen Unfall handelte. Zusammen mit Junior, dem folgenden Anführer der Godspeed, kommt Amy den Geheimnissen des Raumschiffes auf die Spur - und entwirrt damit ein Netz aus Lug, Betrug und Täuschung. Kaufgrund: Der Klappentext hat mich bereits beim ersten Lesen davon überzeugt, diese Buchreihe verfolgen zu wollen. Die bisherigen positiven Bewertungen taten ihren Rest! Meine Meinung: Der erste Teil der "Godspeed"-Reihe beginnt in naher Zukunft. Mithilfe einer Kryo-Flüssigkeit ist es der Wissenschaft gelungen, Menschen einzufrieren und nach Jahrhunderten wiederzuerwecken. Da das Leben auf der Erde immer unerträglicher wird, werden einige bedeutende Personen in einen eisigen Schlaf versetzt, um neues Leben auf einem weit entfernten Planeten aufbauen zu können. Das zweite Kapitel spielt bereits in der fernen Zukunft. Seit knapp 250 Jahren ist die Godspeed schon unterwegs und die Bewohner zählen bereits die Tage, die sie noch von einem Leben in Freiheit entfernt sind. Keiner von ihnen - nicht einmal der nächste Älteste Junior - ahnt jedoch, dass auf der Godspeed nur ein einziger die fatale Wahrheit kennt. Voller Spannung, Emotionen und nervenaufreibenden Auflösungen schreitet die Geschichte so rasant voran, dass man kaum merkt, wie schnell man auf der letzten Seite angelangt ist! Die Menschen auf der Godspeed werden durch einen Anführer, den Ältesten, schonungslos unterdrückt. Durch Hormone und Drogen im Trinkwasser werden sie willenlos gemacht, damit sie ihre Aufgaben ohne Ärger ausführen. Diejenigen unter ihnen, die trotzdem einen klaren Kopf behalten, werden als psychisch labil in einer Klinik festgehalten, um sie in Schach zu halten. Begriffe wie Liebe oder Familie spielen keine Rolle mehr; pro Generation gibt es eine Paarungszeit, durch die der Älteste die Inzucht und seine Folgen unter Kontrolle hat. Revis hat eine schreckliche Zukunftsvision erschaffen, die den Lesern oftmals einen Schauer über den Rücken jagt! Man merkt in jedem Kapitel, wie viel Mühe sie sich bei diesen Schauervorstellungen gegeben hat, denn sie baut viele ausführliche Erklärungen ein. Der gesamte Roman ist so realistisch, dass man Angst bekommen könnte! Wer genau liest, wird jedoch einigen kleinen Logikfehlern oder unbeantworteten Fragen begegnen. Wie ist die Godspeed gebaut worden? Aus welchen Stoffen besteht sie? Wie kann es sein, dass die Bewohner über zwei Jahrhunderte mit demselben Wasser und denselben Nährstoffen auskommen? Hoffentlich lässt sich die Autorin in den Folgebänden auch darauf wirklichkeitsnahe Antworten einfallen! Amy, die erste der beiden Protagonisten, hat ein schweres Los gezogen. Obwohl sie ihr Leben auf der Erde genießt, lässt sie sich für 300 Jahre einfrieren - um ihre geliebten Eltern nicht zu verlieren. Dementsprechend ist es nicht verwunderlich, wie schockiert und wütend sie ist, als sie viel zu früh allein aufgetaut wird. Revis schafft es, all ihre Gefühle bestmöglich wiederzugeben: Wut, Trauer, Enttäuschung und Entsetzen finden sich so glaubhaft in Amys Worten und Taten, dass man gar nicht anders kann, als mit zu leiden und zu fühlen. Revis hat sich damit allerdings eine eigene kleine Falle gestellt. Sie verzettelt sich so sehr in Amys Gefühlen, dass ihr Interesse an der neuen Umgebung beinahe komplett untergeht. Sie stellt kaum Fragen über die Godspeed, ihre Bewohner oder die Lebensbedingungen. Hier fehlte es mir an Glaubwürdigkeit! Der männliche Hauptcharakter, Junior, besitzt all die Authentizität, die mir bei Amy gefehlt hat. Er ist ein vorsichtiger, mutiger junger Mann, der sich nicht mit den Dingen abfindet, die ihm vor die Nase gesetzt werden. Obwohl er in dieser Gesellschaft aufgewachsen ist, nimmt er sie nicht als normal hin. Er hinterfragt alles und jeden, selbst seinen Ziehvater, den Anführer der Godspeed. Naivität ist für Junior ein absolutes Fremdwort! Zumindest bis er auf Amy trifft. Fasziniert von ihrer Andersartigkeit, verliebt er sich augenblicklich in die rothaarige Schönheit. Wer nun jedoch denken mag, hier handle es sich um eine der stereotypischen "Liebe auf den ersten Blick"-Liebesgeschichten, in der neben den Äußerlichkeiten nichts eine Rolle spielt, irrt! Bei solch monotonen Lebensumständen ist es wohl kaum verwunderlich, dass jede Art von Unregelmäßigkeit ein Grund zur Aufregung ist! Die Nebencharaktere sind ebenso überzeugend wie Junior. Sie sind tiefgründiger, als man vermuten mag, und überraschen immer wieder aufs Neue. Revis hat erkannt, wie viel Potenzial in ihnen steckt, und hat große Arbeit geleistet. Besonders herausragend ist der Älteste, der Anführer der Godspeed und Juniors Ziehvater, der alles tut, um das Leben auf dem Raumschiff mit Regeln unter Kontrolle zu halten. Er scheut weder Lug noch Betrug und versucht Junior seine rücksichtslose und diktatorische Art beizubringen. Obwohl man als Leser erst langsam über die Wahrheit hinter seiner Fassade aufgeklärt wird, beschleicht einen stets ein mulmiges Gefühl, wenn man eine Szene mit dem Ältesten liest. Mein Lieblingscharakter des Romans ist jedoch Harley, Juniors kunstinteressierter bester Freund. Mit seiner melancholischen Ader sieht er das Leben auf der Godspeed anders als die restlichen Bewohner und bringt viele Ansätze zur Sprache, die zum Nachdenken anregen. Am Ende wirft die Autorin mehrere große Überraschungen in den Raum, die für einen wahrhaft gelungenen Abschluss sorgen. Einen Cliffhanger gibt es nicht, aber es bleiben sehr viele offene Fragen zurück, sodass man die Fortsetzung am liebsten sofort zur Hand nehmen würde. Bedauerlicherweise müssen wir noch einige Zeit auf den zweiten Teil der Trilogie warten! Die Geschichte wird aus zwei verschiedenen Sichtweisen beschrieben. Abwechselnd erzählen Amy und Junior aus ihrem eigenen Blickwinkel, wie die Handlung voranschreitet. Mit einem flüssigen, jugendlichen Schreibstil und diesem persönlichen Einblick in die Gefühle und Gedanken der Protagonisten fesselt die Autorin ihre Leser bis zur letzten Seite an ihren Roman. Zudem hat "Godspeed - Die Reise beginnt" ein großartiges Extra zu bieten: Wenn man den Schutzumschlag des Buches abnimmt und von innen betrachtet, entdeckt man eine Blaupause der Godspeed, wie auch Junior und Amy sie gesehen haben. So wird die ganze Umgebung des Romans noch anschaulicher und realistischer! Cover: Wenn man das Originalcover bereits kopiert, wieso übernimmt man es nicht gleich komplett? Trotz der typischen Gesichter auf dem Cover ist es zwar hübsch anzusehen, kann aber nicht mit dem englischen Original mithalten. Fazit: Der Auftakt zur "Godspeed" ist ein aufregendes und spannendes Leseabenteuer, das man nur ungern aus der Hand legt. Obwohl Revis die Charaktere und Geschichte großartig gestaltet hat, gibt es einige kleine Momente, die zu schwammig geworden sind. Deshalb vergebe ich insgesamt sehr gute 4 Lurche und warte ungeduldig auf die Fortsetzung!

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