Simone Scamander
Worum geht's? Die Schwestern Scarlett und Rosie sind elf und neun Jahre alt, als ihre Großmutter March von einem Fenris getötet und zerfleischt wird. Bei dem Versuch, ihre kleine Schwester vor dem Ungeheuer zu schützen, erleidet Scarlett schwere Verletzungen und verliert sogar ein Auge. Seitdem trainieren die Schwestern täglich, um eines Tages ihre Rache zu bekommen... Sieben Jahre später sind aus den zwei Schwestern zwei gefühllose Jägerinnen geworden, die bei keinem Fenris Gnade walten lassen. Zusammen mit Silas, ihrem Jagdpartner, machen sie sich auf die Reise nach Atlanta, wo nicht nur für die Wölfe eine schwierige Zeit beginnt. Doch dann wird Rosie plötzlich bewusst, dass es auch ein Leben neben der Jagd geben kann, und macht einen folgenschweren Fehler: Sie verliebt sich. Kaufgrund: Schon seit der amerikanischen Veröffentlichung habe ich sehnsüchtig auf die deutsche Ausgabe des neuen Romans von Jackson Pearce gewartet. Die moderne, brutale Fassung "Rotkäppchen"-Märchens hat mich in jeglicher Hinsicht sofort angesprochen. Meine Meinung: Um es von vornherein zu sagen: Die Geschichte der "Blutroten Schwestern" hat meine Erwartungen nicht erfüllt. Als absoluter Märchenfan habe ich mich auf eine moderne Fassung des "Rotkäppchens" gefreut, aber in Wirklichkeit hat dieser Roman nur wenig mit dem Märchen gemein. Ja, die Schwestern tragen rote Mäntel, ja, es gibt Wölfe und einen dunklen Wald, und ja, es gibt sogar eine Großmutter und ein Zitat aus dem bekannten Märchen. "Blutrote Schwestern" wegen dieser Parallelen als "Neufassung" zu bezeichnen, wenn sich der Rest der Handlung nicht einmal am Original orientiert, halte ich für unangemessen. Wer ohne die Märchen-Erwartung an diesen Roman herangeht, wird vielleicht etwas mehr Freude an ihm haben. Auch in sonstiger Hinsicht konnte mich die Handlung nicht mitreißen. "Blutrote Schwestern" hat leider bloß eine flache, leicht durchschaubare Geschichte zu bieten, die nicht zu überraschen vermag. Die Lösungen der Rätsel sind derart offensichtlich, dass sich nicht einmal eine Spannung aufbauen kann. Selbst das Ende hat Pearce nicht genutzt, obwohl es so dramatisch und tragisch hätte werden können. Die brutalen Kämpfe zwischen den Jägern und den Wölfen haben mir allerdings auf Anhieb den Atem rauben können. Pearce hat kein Blatt vor den Mund benommen und jede noch so grausame und blutige Entwicklung des Kampfes detailliert beschreiben. Sie hat es sogar geschafft, die Kämpfe für die Leser so wirken zu lassen, wie auch Scarlett und Rosie sie empfinden: natürlich, selbstverständlich, alltäglich. Ist ja völlig normal, wenn man einem Wolf das Beil in die Brust jagt und von Blut überströmt wird, oder nicht? Leider hat Jackson Pearce einen schwerwiegenden Fehler gemacht; sie wollte zu viel des Guten. So sehr die Gefechte zu Beginn begeistern mögen, nach dem dritten Mal wird es schlicht und ergreifend langweilig. Da können selbst abgetrennte Extremitäten nicht viel dran ändern! Die "Blutroten Schwestern" Scarlett und Rosie sind zwei Hauptcharaktere, die sich völlig von anderen Roman-Protagonistinnen unterscheiden. Sie sind keine "Schmetterlinge" (wie Scarlett die Fashion-Victims dieser Welt nennt), keine "Bitte-rette-mich"s, keine Mädchen, die urplötzlich die Macht besitzen, die Menschheit zu retten. Sie sind durchtrainierte, abgehärtete und eiskalte Jägerinnen, die sich bereits seit Jahren darauf vorbereiten, die unwissende Welt von den Fenris zu befreien. Scarlett, die bereits mit elf Jahren ihren ersten Wolf tötete und dabei aufs schrecklichste entstellt wurde, ist die Ehrgeizige der beiden Schwestern. Kein Wunder, schließlich ist sie es, die unter den Blicken ihrer Mitmenschen zu leiden hat. Rosie ist die zartere, die gefühlvolle Schwester, die nur für Scarlett jagt. Sie verdankt ihrer Schwester ihr Leben und würde alles tun, um sich jemals dafür revanchieren zu können. Doch während Scarlett sich ausschließlich für die Jagd interessiert, erkennt Rosie in Atlanta, dass das Leben weitaus mehr zu bieten hat. Die innige Beziehung zwischen den beiden war ein wahrer Leseschmaus. Die Liebesgeschichte hat mich leider nicht überzeugen können. Es ist die typische "Liebe auf den ersten Blick", die nicht sein darf. Sofort können sie nicht mehr die Hände von einander lassen und bewerfen sich quasi mit Liebesschwüren. Nein, Rosies Liebesgeschichte hat mich nicht berührt, denn sie entwickelte sich zu schnell und zu realitätsfern. Ebenfalls enttäuscht hat mich, dass Scarlett in dieser Hinsicht völlig leer ausgeht. Die Erklärung, die Miss Pearce dafür abgeliefert hat, ist mehr als fragwürdig! Die Geschichte wird aus der Sicht der beiden Schwestern erzählt. Scarlett und Rosie wechseln sich dabei kapitelweise ab. Jackson Pearce ist es dabei gelungen, die Gefühle der beiden Protagonistinnen authentisch darzustellen. "Identifizieren" kann sich mit den Jägerinnen wohl kaum jemand, trotzdem kann man mit ihnen mitfühlen und, vor allem mit Scarlett, mitleiden Ich habe den beiden jede Emotion, jeden Gedanken und jede Handlung sofort abgekauft! Jackson Pearce' Schreibstil hat mir in "Blutrote Schwestern" noch besser gefallen als in ihrem Erstlingswerk "Drei Wünsche hast du frei". Noch immer leicht und locker, aber viel bildhafter und metaphorischer fesselt sie uns an ihren Roman. Auch wenn die Handlung einige Schwächen aufweist, das Lesen hat mir dennoch viel Spaß gemacht. Die knapp 360 Seiten waren im Nu ausgelesen! Cover: Das Cover ist ein echter Blickfang! Wenn auch nicht so schön und kreativ wie das Originalcover (mal ehrlich, besser als das geht’s wohl nicht!), so schafft es dieses Titelbild doch, uns Leser sofort neugierig zu machen. Auf den ersten Blick fühlt man sich in eine düstere Szene aus einem unheimlichen Gruselfilm hineinversetzt, sodass einem ein kalter Schauer über den Rücken läuft. Schade bloß, dass die Handlung mit dieser beeindruckenden Atmosphäre des Covers nicht mithalten kann! Fazit: "Blutrote Schwestern" von Jackson Pearce konnte meinen hohen Erwartungen leider nicht gerecht werden. Ich habe mich auf viele Märchenelemente gefreut, doch tatsächlich bestehen kaum Ähnlichkeiten zu "Rotkäppchen"! Wer auf blutige Gemetzel und tolle Protagonisten steht, wird trotz der offensichtlichen Handlung sicherlich Gefallen an Pearce' neuem Roman finden. Ich vergebe leider nur 3 Lurche.