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Sarang

Posted on 1.2.2020

Er hätte gewünscht, daß sie wüsste, was in ihm vorging, aber es wäre nicht schwieriger gewesen, einen Duft mit einem Netz einzufangen, als zu versuchen, unartikulierte Empfindungen in die groben Maschen der Worte zu fassen. Er blieb daher stumm. - S. 30 »Inhalt« Der Farmer Gabriel Oak ist der erste, der um Bathsheba Everdenes Hand anhält. Sie lehnt ab und verlässt kurz darauf den Ort, da sie das Pachtstück ihres Onkels geerbt hat. Derweil trifft Gabriel ein Schicksalsschlag. So zieht auch er weiter. Als ihre Wege sich zufällig erneut kreuzen, haben sich ihre Karten neu gemischt. Für Gabriel ist Bathsheba unerreichbarer denn je. Dennoch bleibt er an ihrer Seite und erlebt, wie andere um sie werben. Während Bathsheba bemüht ist, das Richtige zu tun und ihre Zukunft abzusichern, muss sie einige Hürden nehmen, die am Wegrand lauern. Gabriel wartet, doch wie lange noch? »Ein 'altes' Buch mit modernen Wahrheiten« „Am grünen Rand der Welt“ ist ein Buch, das einem poetischen Seufzer gleicht. Obwohl es älter als hundert Jahre ist, habe ich einiges gefunden, das noch zu heute passt und in dem eine unumstößliche Wahrheit liegt. Thomas Hardy hat mich mit seinen detailreichen Beschreibungen verführt. Meistens langweilen mich längere Orts- oder Naturbeschreibungen, doch bei Thomas Hardy tragen diese zur besonderen und sehr bedächtigen Stimmung bei. Obwohl die Handlung nicht aus der gegenwärtig sehr beliebten Ich-Perspektive abgefasst ist, vermittelt „Am grünen Rand der Welt“ eine tiefe Inneneinsicht in seine Charaktere. »Ein intensiveres Erlebnis als der Film« Ich komme nicht umhin, Thomas Hardys Roman mit der Verfilmung von Thomas Vinterberg zu vergleichen, die mich erst auf diese Lektüre gebracht hat und von der ich maßlos begeistert war. Auch muss ich gestehen, dass ich mich nur durch den Film auf das Buch einlassen konnte und einige Punkte möglicherweise viel weniger gut von mir aufgenommen worden wären, wenn ich die Filmbilder nicht im Kopf gehabt hätte. Wie jedes Buch im Vergleich zu seiner Verfilmung, hat auch dieses viel mehr Platz, um alles in seiner Einzelheit schildern zu können. Mehr Raum für Beschreibungen, ein paar Details sind anders und mehr Umwege können eingeflochten werden. Nichts desto Trotz bewegt sich die Verfilmung äußerst nah an der Romanvorlage und kann zurecht als überaus gelungen bewertet werden. »Ein Klassiker gespickt mit modernen ChickLit-Elementen?« Spannend finde ich an dem Roman „Am grünen Rand der Welt“, dass er trotz seiner weit zurückliegenden Entstehung, in den Grundzügen noch immer als modern empfunden werden kann. Mein nächster Vergleich mag gewagt erscheinen. Möchte man mir Böses unterstellen, könnte meine folgende Aussage für Thomas Hardy auch als Beleidigung aufgefasst werden: Im weitesten (!) Sinne empfinde ich einige Komponenten von „Am grünen Rand der Welt“ als ChickLit. Als ChickLit mit Niveau und Tiefgang, die aus meiner Sicht die heutigen Unterhaltungsromane oft vermissen lassen. In diesen ist direkt klar, dass sich das Liebespaar früher oder später bekommen wird. Nebenbei ist dies natürlich das ultimative im Vordergrund stehende Ziel der Handlung. "Am grünen Rand der Welt“ hat dies perfekt in den Tiefen und Facetten ergänzt. Mir als Leserin war nicht klar, ob sich das „Traumpaar“ finden wird. Es ging nicht vordergründig um diese Liebe (die bei ChikLit gegenwärtig meist aus dem Nichts entbrennt und sich „bis in den Tod“ und zur „vollkommenen Selbstvernichtung“ steigert). Thomas Hardy hat sich bedächtig und wortgewandt Zeit gelassen; in seinem Handlungsverlauf die LeserInnen mal nach rechts und links blicken lassen. Damit hat Thomas Hardy die aus heutiger Sicht damalige und aus damaliger Sicht gegenwärtige Zeit eingefangen und in seiner eigenen Wahrnehmung zu Mosaiken neu zusammengesetzt. Er hat eine besonders realistische und authentische Perspektive auf das Leben der Figuren in seinem Roman inszeniert. Tatsächlich suche ich heutzutage oft nach Romanen wie desjenigen von Thomas Hardy und frage mich, warum man dafür zeitlich soweit zurückblicken muss, um das zu erhalten, was man möchte. »Zwischen Schwarz und Weiß« Die Figuren sind weder schwarz noch weiß. Allem voran die Protagonistin Bathsheba kommt oft recht sachlich herüber. Sie handelt in ihren eigenen Interessen, die mal mehr mal weniger egoistisch eingefärbt scheinen. Obwohl sie durch ihren Egoismus (der wohl aber normal ist für die Spezies Mensch ;)) oft unsympathischer wirkt, ist sie doch so etwas wie die Heldin der Geschichte. Das ist recht atypisch für solch einen Roman. Bathsheba mit einem eigenen Kopf auszustatten und als Pächterin ohne Mann und als eigene Herrin auftreten zu lassen, ist für die damalige Zeit auch recht innovativ. Manchmal schien es auch so, als wüsste Thomas Hardy selbst nicht so genau, wie seine Protagonistin nun ticke und er versuchte, dies während des Schreibens gemeinsam mit seinem Lesepublikum zu ergründen. »Mein Fazit« „Am grünen Rand der Welt“ ist feinste Unterhaltung mit Tiefgang. Ein toller Roman, der trotz seines stolzen Alters noch immer im Trend liegt und von dem sich so einige moderne Werke eine Scheibe abschneiden könnten. Ich habe mich bereits nach der Verfilmung rettungslos in die Figuren verliebt, was sich durch das Leseabenteuer nur intensivierte. Ein kritischer Roman über das Leben im 19. Jahrhundert, der zum Verweilen einlädt, schöne Augenblicke bereithält und mehr als nur von der Liebe erzählt. Ein sanfter Roman, der großes Kino verspricht und dem ich mich nicht entziehen konnte.

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